Beide führten eine Paarstudie mit 23 an Alzheimer-Erkrankten und deren kognitiv gesunden Lebens-/ Ehepartnern durch. Die Testpersonen trugen 72 Stunden lang Beschleunigungssensoren am Fußgelenk. Anhand der aufgezeichneten Bewegungssignale konnten das Forschungsteam mit einer Präzision von 91 Prozent die Studienteilnehmer korrekt als „gesund“ oder „erkrankt“ identifizieren. Damit zeigte sich, dass die Bewegungsmessung bereits mit hoher Genauigkeit eine demenzassoziierte Verhaltensänderung erfasste, noch ehe die Angehörigen Auffälligkeiten berichteten. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift Journal of Alzheimer’s Disease.
Messung ersetzt Beobachtung
„Die Methode liefert uns objektive Daten über das Verhalten, da wir im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren nicht auf die Bewertung durch einen Beobachter angewiesen sind“, sagt Teipel. „Wir verfügen somit über ein Instrument, das Verhaltensänderungen schneller registriert und uns damit neue Möglichkeiten bietet, das Fortschreiten der Erkrankung zu erkennen und die Wirksamkeit von Interventionen zu überprüfen.“
Ein weiterer Vorteil: Die Technik tritt vollständig in den Hintergrund. „Die Betroffenen müssen keine besonderen ,Testparcours’ absolvieren. Unser Verfahren ist in der Lage, Veränderungen in uneingeschränktem Alltagsverhalten festzustellen“, fügt Informatiker Kirste hinzu. „Uns gelingt es, mit maschinellen Verfahren krankheitsbedingte Veränderungen in diesem Verhalten zu erkennen, die einem menschlichen Beobachter nicht direkt auffallen würden.“
Mobilität ermöglichen
Die Studie ist Teil eines größeren gemeinsamen Forschungsvorhabens der Universität Rostock und des DZNE, um den Einfluss der Alzheimer-Krankheit auf wichtige Aspekte des persönlichen Lebensumfeldes eines Erkrankten zu erfassen. Die Ergebnisse sollen sowohl für die Entwicklung neuer Diagnoseverfahren als auch für die Realisierung von technischen Hilfsmitteln genutzt werden. Hierzu planen Teipel und Kirste derzeit die nächsten Schritte. Zunächst benötigen sie aber weitere Daten. Der Beobachtungszeitraum soll dazu von 72 Stunden auf zwei Wochen ausgebaut werden, um das typische Bewegungsverhalten von Alzheimer-Patienten noch genauer zu erfassen.
Langfristig wollen die Rostocker Forscher, Alzheimer-Patienten im frühen Stadium durch selbstlernende technische Hilfsmittel - wie zum Beispiel eine persönliche Navigationsassistenz - auch außerhalb ihrer Wohnung Mobilität ermöglichen. Das übergreifende Ziel ist es durch unterstützende Hilfsmittel, Demenzerkrankten länger die Möglichkeit auf selbstbestimmte Mobilität und soziale Teilhabe zu bieten. Das unterscheidet ihren Ansatz von bereits etablierten Verfahren des sogenannten „Geofencing“, die die Bewegungsmöglichkeiten von Alzheimer-Patienten einschränken, um vor allem Sicherheit zu gewährleisten.