Acht Fragen an den Biochemiker Dr. Thomas Jahn
1. Warum haben Sie sich für die Alzheimer-Forschung entschieden?
Ich bin Biochemiker und habe mich schon früh für die Faltung und Funktion von Proteinen interessiert. Besonders Protein-Protein-Interaktionen sind essentiell für die Funktion unserer Zellen und sehr aufwendig reguliert. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel über die Netzwerke gelernt durch welche Qualität und Quantität von Proteinen reguliert werden. In neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit sind diese Netzwerke überfordert und es kommt zu einer Fehlfaltung und Ansammlung spezifischer Proteine. Wie diese Proteinaggregate zum Tod von Nervenzellen führen und welche zellulären Netzwerke dies in gesunden Menschen verhindern sind essentielle Fragen. Die steigenden Zahlen an Alzheimer-Patienten und das Fehlen einer Interventionsmöglichkeit haben mich motiviert, mich speziell dem molekularen Hintergrund dieser Krankheit zu widmen.
2. Haben Sie einen persönlichen Bezug zur Alzheimer-Krankheit?
In meiner Familie und näherem Freundeskreis gab es bisher keinen Fall der Alzheimer Erkrankung. Ich bin jedoch schon oft mit Angehörigen und behandelnden Ärzten von Alzheimer-Patienten in Kontakt gekommen und habe erfahren was für eine schwere Aufgabe die passende Fürsorge und Behandlung darstellen.
3. Warum ist Ihr Projekt aussichtsreich?
Wir wollen in diesem Projekt einen neuen Ansatz verfolgen. Dank vieler Studien ist bereits bekannt, dass sich die ersten Proteinaggregate schon sehr früh im Krankheitsverlauf manifestieren, mehrere Jahre vor den ersten klinischen Symptomen. Die Ausbreitung und Vermehrung dieser Aggregate sind dann für das Voranschreiten der Krankheit maßgebend. Wenn dieser Prozess mit einem „Domino-Effekt“ vergleichbar ist, müssen die Bausteine identifiziert und entfernt werden, die für die Ausbreitung der Proteinaggregation verantwortlich sind. Wir wollen für dieses Projekt die Fruchtfliege Drosophila als Modellsystem einsetzen, da hiermit in einem kurzen Zeitrahmen viele Faktoren getestet werden können, erst auf zellulärer Ebene und dann im Zusammenhang eines funktionellen Gehirns. Forschungsarbeiten an Drosophila haben schon über Jahrzehnte fundamentale biologische Mechanismen entschlüsselt, die auf den Menschen übertragen werden konnten. Wir denken, dass dieser Ansatz auch effektiv für Fortschritte in der Alzheimer-Forschung genutzt werden kann.
4. Warum müssen sich Proteine überhaupt falten?
Wieso kann es dabei zu einer Fehlfaltung kommen?
Für Proteine ist Faltung mit Funktion gleichzusetzen. Alle Proteine sind als Ketten gleicher Bausteine (Aminosäuren) zu sehen, wobei sich verschiedene Proteine hauptsächlich durch die Anzahl und Abfolge der einzelnen Bausteine unterscheiden. Diese Abfolge bestimmt die spezifische dreidimensionale Proteinstruktur, die für eine spezifische Eigenschaft wichtig ist. Jedes Protein bekommt somit nicht nur eine eindeutige Funktion in der Zelle, die Struktur bestimmt auch welche Proteine miteinander in funktionellen Netzwerken interagieren. Zellen sind mit Proteinen vollgepackt und es gibt daher eine Vielzahl von Proteinen die nur für die Stabilisierung und Qualitätskontrolle anderer Proteine wichtig sind.
5. Gibt es Wirkstoffe, die Einfluss auf die Faltung von Proteinen haben?
Die Entwicklung von Medikamenten, die eine Fehlfaltung von Proteinen und damit ihren Funktionsverlust und die Aggregation verhindern, ist in den letzten Jahren ein wichtiges Ziel für die Proteinforschung geworden. Obwohl es noch sehr viel Grundlagenforschung auf diesem Gebiet bedarf, gibt es auch ein paar Erfolgsgeschichten. Ein gutes Beispiel ist das Medikament Tafamidis, das erste Medikament für die Behandlung solcher Proteinaggregations-Krankheiten. Die Forschergruppen um Jeff Kelly am Scripps Institut in Kalifornien hat sich über Jahre mit der Biochemie des Proteins Transthyretin beschäftigt. Die Fehlfaltung und Aggregation dieses Proteins im Krankheitsfall wird durch den Austausch von bestimmten Aminosäurebausteinen verursacht. Mit diesem chemischen Wirkstoff kann die funktionelle Form des Proteins stabilisiert werden, was Fehlfaltung und Aggregation verhindert. Nur die Kombination von biologischer und chemischer Grundlagenforschung hat es ermöglicht, diesen Wirkstoff bis in klinische Studien und jetzt bis zum Patienten zu bringen. Ich denke, dass wir in naher Zukunft mehrere Wirkstoffe entwickeln werden, die das Gleichgewicht von Proteinnetzwerken in Zellen wiederherstellen können.
6. Ist das Tau-Protein ein besserer Ansatzpunkt als Amyloid-Beta?
Ich denke wir wissen noch nicht genug über den Anfang und den molekularen Verlauf der Alzheimer-Krankheit um diese Wahl zu treffen. Generell weisen neurodegenerative Erkrankungen ein sehr komplexes Krankheitsbild auf, welches letztendlich wohl nur durch kombinierte Ansätze therapiert werden kann. In den letzten Jahren hat es für beide Proteine vielversprechende Studien gegeben, die jetzt kombiniert und validiert werden müssen. Jedes Puzzleteil ist wichtig, um das Gesamtbild dieser Krankheit zu verstehen.
7. Wie entstand der Kontakt zur AFI?
Welchen Stellenwert hat private Forschungsförderung für Ihre Arbeit?
Die AFI ist mir schon lange als zentrale Einheit der Alzheimer Forschung in Deutschland bekannt. Als Nachwuchswissenschaftler ist die Finanzierung von Pilotprojekten besonders interessant, da so neue Forschungsideen getestet werden können, über deren Ausgang man nur spekulieren kann. Die Anzahl der Alzheimer Betroffenen steigt jährlich, wodurch ein zentrales Element wie die AFI nicht nur wichtig ist um neue Forschungsansätze in Deutschland zu koordinieren, sondern sie auch klar der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die Möglichkeit der Förderung durch private Stiftungen bekommt einen immer höheren Stellenwert in der Forschung. Unabhängig von wirtschafts- und bildungspolitischen Änderungen können so neue Forschungsansätze zeitnah und detailliert verfolgt werden. Für mich hat die private Forschungsförderung einen besonders hohen Stellenwert. Ich bin in der glücklichen Situation das die gemeinnützige Chica und Heinz Schaller-Stiftung mir den Aufbau meines Forschungslabors an der Universität Heidelberg und dem DKFZ ermöglicht hat.
8. Formulieren Sie bitte einen Dank an unsere Spender
Mein Team und ich sind Ihnen für Ihre finanzielle Unterstützung unseres Forschungsvorhabens sehr dankbar. Mit Ihrer Hilfe haben wir die Chance einen wichtigen Beitrag zur Alzheimer Forschung zu leisten. Das große Interesse der Öffentlichkeit ist eine weitere Motivation für unsere Arbeiten und wir freuen uns darauf Ihnen bald die Ergebnisse dieses Projekts vorstellen zu dürfen.
Ihre Spende für eine Zukunft ohne Alzheimer
Wichtige Erkenntnisse aus den Laboren auf ihren Weg in die Praxis bringen, ist das Ziel der Forschungsförderung der Alzheimer Forschung Initiative. Gute Forschung ist kostenintensiv. Indem wir Gelder aus Spenden bereitstellen, tragen wir dazu bei, dass Wissenschaftler wie Dr. Igor Yakushev ihre Arbeit voranbringen können.
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Weitere Informationen
- Zur ausführlichen Projektbeschreibung der Forschungsarbeit von Dr. Jahn
- Sehen Sie den Animationsfilm „Alzheimer: Eine dreidimensionale Entdeckungsreise“