Die Demenz der „jungen Alten“

Frontotemporale Demenz (FTD)

Die Frontotemporale Demenz, (früher auch Morbus Pick genannt), ist eine seltene und schnell fortschreitende Demenzerkrankung, bei der die Hirnregionen hinter der Stirn und den Schläfen betroffen sind.

Rund 70 Prozent der Erkrankten sind bei Beginn jünger als 65 Jahre, man kann sie daher auch als die Demenz der „jungen Alten“ bezeichnen. Anfang 2023 wurde bekannt, dass der Schauspieler Bruce Willis an Frontotemporaler Demenz erkrankt ist.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff Frontotemporale Demenz für eine Gruppe von Hirnerkrankungen verwendet, deren Hauptsymptome Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und der sprachlichen Fähigkeiten sind. Der Fachbegriff für diese Gruppe von Erkrankungen ist Frontotemporale Lobäre Degenerationen (FTLD).

Zwei wichtige Subtypen der Frontotemporalen Demenz sind die Verhaltensvariante (bvFTD) und die Primäre Progressive Aphasie (PPA).

Welche Ursachen hat die Frontotemporale Demenz?

Bei der Frontotemporalen Demenz kommt es zu degenerativen Veränderungen (Abbau von Nervenzellen) im Bereich des Frontallappens (Stirnlappen, siehe Bild) und des Temporallappens (Schläfenlappen) des Gehirns.

In den Nervenzellen finden sich sogenannte „Pick'sche Körper“, die erstmals von dem Prager Neurologen Arnold Pick Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben wurden. Dabei handelt es sich um kugelförmige, krankhafte Einschlüsse verschiedener Proteine. Die betroffenen Hirnareale regulieren unter anderem die Gefühle und das Sozialverhalten.

Was genau diese Veränderungen auslöst, ist noch weitgehend unbekannt. In einigen Fällen wird die Frontotemporale Demenz durch Veränderungen im Erbgut ausgelöst. So kommt es innerhalb einer Familie zu einem gehäuften Auftreten der Krankheit. Auch Stoffwechselerkrankungen werden als Risikofaktor diskutiert. 

Typische Symptome bei FTD

Die Symptome der Frontotemporalen Demenz unterscheiden sich von denen anderer Demenzformen, wie der Alzheimer-Krankheit oder der Vaskulären Demenz.

Der wichtigste Unterschied zur Alzheimer-Krankheit besteht darin, dass Menschen mit FTD zunächst keine Gedächtnisstörungen aufweisen, sondern vor allem durch Verhaltensänderungen und Sprachprobleme auffallen.

Da Demenz schleichend beginnt und ihre Symptome denen anderer Krankheiten ähneln, insbesondere psychischen Erkrankungen wie einer Depression oder eine Manie, können die Symptome oft erst später zugeordnet werden.

Typisch für FTD ist auch, dass viele Erkrankte ansonsten körperlich gesund wirken.

Zwei Varianten: Verhalten oder Sprache

Frontotemporale Demenz ist eine Gruppe von Hirnerkrankungen, die durch eine Degeneration der Stirn- und/oder Schläfenlappen des Gehirns verursacht werden.

Zwei wichtige FTD-Subtypen sind:

  • Frontotemporale Demenz in der Verhaltensvariante (bvFTD): Hier verändern sich zunächst vor allem die Persönlichkeit und das Verhalten
  • Primär Progressiven Aphasie (PPA): Hier verlieren Betroffene allmählich die Fähigkeiten zu sprechen, zu lesen, zu schreiben und gesprochene Sprache zu verstehen. Je nachdem welche Fähigkeiten am stärksten betroffen sind, unterscheidet die Medizin zwischen drei Formen oder Typen der PPA.

Symptome der Frontotemporalen Demenz in der Verhaltensvariante (bvFTD)

Mögliche Symptome von bvFTD sind:

  • Enthemmung 
    Untypische oder beleidigende Bemerkungen, Missachtung des Freiraums anderer, Ladendiebstahl, Berührungen von Fremden oder unangemessenes sexuelles Verhalten, aggressive Ausbrüche
  • Apathie
    Verlust des Interesses an der Arbeit, an Hobbys und persönlichen Beziehungen, Vernachlässigung der Körperpflege, Verlust der Initiative
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust
    Verlust von Wärme, Einfühlungsvermögen oder Sorge um andere, Gleichgültigkeit gegenüber wichtigen Ereignissen (zum Beispiel Todesfälle), Unfähigkeit zu erkennen, dass geliebte Menschen verärgert oder unglücklich sind
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten
    Wiederholen von Wörtern oder Sätzen, Hände reiben oder in die Hände klatschen, immer wieder dasselbe Buch lesen, Dinge horten, jeden Tag zur selben Zeit an denselben Ort gehen
  • Veränderung der Essgewohnheiten oder der Ernährung
    Übermäßiges, zwanghaftes oder unangemessenes Essen und Trinken, Binge Eating, Heißhunger auf Kohlenhydrate, nur bestimmte Lebensmittel essen, übermäßiges Trinken von Wasser oder Alkohol
  • Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens
    Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen oder Probleme zu lösen, fragwürdige finanzielle Entscheidungen, untypische Fehler bei der Arbeit
  • Andere Symptome
    Unruhe, häufige und plötzliche Stimmungsschwankungen

Symptome der Primär Progressive Aphasie (PPA)

Je nachdem welche Fähigkeiten am stärksten betroffen sind, unterscheidet die Medizin zwischen drei Formen oder Typen der PPA, die durch folgende Symptome gekennzeichnet sind:  

  • Semantischer Typ
    Fortschreitender Verlust des Verständnisses für Wörter sowie der Fähigkeit, Objekte zu benennen oder Bilder zu beschreiben.  
  • Unflüssiger/agrammatischer Typ
    Zunehmende Schwierigkeiten beim Sprechen, also Lippen und Zunge richtig zu kontrollieren, das Sprechen wird langsamer und klingt angestrengter, auch Verstummen ist typisch für dieses Krankheitsbild.
  • Logopenischer Typ
    Schwierigkeiten, beim Sprechen die richtigen Wörter zu finden, das Sprechen wird langsamer und zögerlicher, fehlende Wörter werden umständlich umschrieben

Verlauf der Frontotemporalen Demenz

Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die Frontotemporalen Demenz einen schleichenden Verlauf. Grob lassen sich drei Stadien unterscheiden, wobei die Übergänge immer fließend sind:

1. Frühes Stadium

Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl am deutlichsten von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, also innerhalb der Subtypen.

  • Typisch für Erkrankte der Verhaltensvariante (bvFTD) sind Veränderungen im Verhalten oder in der Persönlichkeit, die sie selbst meist nicht bemerken oder negativ bewerten
  • Typisch für Betroffene der sprachlichen Variante (PPA) sind Probleme mit dem Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben.

2. Mittleres Stadium

Im mittleren Stadium treten zunehmend Symptome der jeweils anderen Variante auf. Das heißt, wer zu Beginn eher Sprachprobleme hatte, zeigt zunehmend Verhaltensänderungen und umgekehrt. Im Alltag sind die Erkrankten verstärkt auf Hilfe angewiesen, zum Beispiel beim Anziehen, Waschen oder Frisieren.

3. Spätes Stadium / Endstadium

Im späten Stadium sind Menschen mit FTD kaum noch von Menschen mit anderen Demenzerkrankungen zu unterscheiden. Sprache und Verhalten sind deutlich beeinträchtigt, hinzu kommen Gedächtnisprobleme, ähnlich wie bei der Alzheimer-Krankheit. Im Endstadium sind die Betroffenen rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen. Die häufigste Todesursache bei Frontotemporaler Demenz ist eine Lungenentzündung.

Lesen Sie dazu auch unseren Ratgeber

Der Ratgeber Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen beleuchtet neben der Alzheimer-Krankheit auch die vaskuläre Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz, die Frontotemporale Demenz und die Demenz bei Parkinson.
56 Seiten, 2023

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Was sind die Risikofaktoren für Frontotemporale Demenz?

In einigen Fällen wird die Frontotemporale Demenz durch Veränderungen im Erbgut ausgelöst. Deshalb wird ein wiederkehrendes Auftreten der Erkrankung innerhalb einer Familie in ca. 40% der Fälle beobachtet und in 10% der Fälle kann eine genetische Ursache nachgewiesen werden. Auch Stoffwechselerkrankungen gelten als ein Risikofaktor für das Entstehen von Demenzen. Weitere Risikofaktoren sind bislang nicht bekannt.

Wie wird Frontotemporale Demenz diagnostiziert?

Die Frontotemporale Demenz wird oft nicht sofort erkannt, da insbesondere bei der Verhaltensvariante die Symptome zunächst eher auf eine psychische Erkrankung wie eine Depression, Manie oder Schizophrenie hindeuten.

Da es zur Zeit kein Verfahren gibt, das eine eindeutige Diagnose ermöglicht, erfolgt die Diagnostik bei Verdacht auf FTD immer in mehreren Schritten, wobei auch mögliche andere Ursachen für die Demenzsympome ausgeschlossen werden:

  • Bei der Diagnose erfragt die Ärztin oder der Arzt zunächst die Krankengeschichte und überprüft die Gedächtnisleistung der erkrankten Person.
  • Wenn möglich, schildern Angehörige die Persönlichkeitsveränderungen der oder des Erkrankten.
  • Eine psychiatrische Untersuchung kann andere Ursachen für die Symptome, wie eine Depression, ausschließen. 
  • Mit einer Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) kann festgestellt werden, ob sich Schläfen- oder Stirnlappen verändert haben. 
  • Sind Blutsverwandte an FTD erkrankt, können Gentests bei der Patientin oder dem Patienten klären, ob die Erkrankung genetisch bedingt ist.
  • Liegt keine Genmutation vor, kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden.

Datenbank Gedächtnisambulanzen

Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Dort klären ärztliche Teams die Ursachen für die Demenzsymptome ab. Auch bei Verdacht auf FTD sind Gedächtnisambulanzen die richtige Anlaufstelle.
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Behandlung von FTD

Medikamentöse Behandlung

Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar und es gibt keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Es gibt jedoch Medikamente, die gegen Symptome wie Aggression oder zwanghaftes Verhalten helfen. Diese können von der behandelnden Ärztin oder vom behandelnden Arzt verordnet werden.

Nicht-medikamentöse Behandlung

Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden. Eine der größten Herausforderungen für Angehörige und/oder Pflegepersonen ist dabei oft mangelnde Einsicht in die eigene Erkrankung - ein Symptom, das bei vielen FTD-Erkrankten auftritt.

Wenn zum Beispiel der Partner versucht, seine kranke Frau von riskanten Geldgeschäften oder unkontrolliertem Essen abzuhalten, kann sie das nicht verstehen - und reagiert möglicherweise frustriert und aggressiv. In diesem Moment muss man sich darüber im Klaren sein, dass man kranke Person nicht davon überzeugen kann, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. 

Wer helfen und unterstützen will, kann daher meist nur versuchen, die jeweiligen Lebensumstände anzupassen und zu lernen, mit aggressivem oder herausforderndem Verhalten umzugehen.

Ergänzend können Therapien helfen, die die Teilhabe und Lebensqualität im Alltag verbessern, wie Ergo-, Kunst- oder Musiktherapie.

Bei Patientinnen und Patienten mit Sprachstörungen können spezialisierte Logopädinnen oder Logopäden dazu beitragen, den Abbau der sprachlichen Fähigkeiten und den Verlust des Wortschatzes zu verlangsamen.

Tipps bei Frontotemporaler Demenz

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es weitere Aktivitäten, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig agil bleiben. Diese lassen sich oft gut in den Alltag integrieren:

  • Sport hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung baut Ängste ab, mildert Aggressionen und fördert das Ein- und Durchschlafen. Am besten eignet sich tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.), bei der Atmung und Herzfrequenz erhöht sind, aber noch ein Gespräch möglich ist.
  • Gerade bei weniger fitten Menschen lässt sich Bewegung auch gut in den Alltag integrieren, zum Beispiel bei Spaziergängen mit dem Hund oder bei der Gartenarbeit.
  • Aktivitäten, die das Gehirn anregen wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus. Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Finden Sie heraus, was der oder dem Erkrankten Spaß macht und achten Sie darauf, sie oder ihn nicht zu überfordern.
  • Ein gutes Miteinander und soziale Kontakte machen nicht nur zufriedener, sondern halten auch den Kopf fit. Treffen Sie sich mit Freunden, Familie oder Nachbarn und verbringen Sie eine gute Zeit. Auch der regelmäßige Besuch einer Tagespflege oder kann für Menschen mit Demenz anregend sein.

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