Die Demenz der „jungen Alten“

Frontotemporale Demenz (FTD)

Die Frontotemporale Demenz (FTD) ist eine seltene und schnell fortschreitende Demenzerkrankung, bei der die Hirnregionen hinter der Stirn und den Schläfen betroffen sind.

FTD tritt typischerweise im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf, weshalb sie auch als Demenz der "jungen Alten" bezeichnet wird. Anfang 2023 wurde bekannt, dass der Schauspieler Bruce Willis an Frontotemporaler Demenz erkrankt ist.

Zu den ersten Anzeichen von Frontotemporaler Demenz zählen auffällige Veränderungen im Verhalten oder in der Sprache, während das Gedächtnis meist lange unbeeinträchtigt bleibt. Aufgrund dieser Merkmale wird FTD häufig mit psychischen Erkrankungen verwechselt.

Rund 3 bis 9 Prozent aller Menschen mit Demenz haben FTD. 

Welche Ursachen hat die Frontotemporale Demenz?

Bei der Frontotemporalen Demenz sterben Nervenzellen im Frontallappen (Stirnlappen, siehe Bild) Temporallappen (Schläfenlappen) im Gehirn ab. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. 

In den Nervenzellen bilden sich oft krankhafte Ablagerungen bestimmter Proteine, die ihre Funktion stören. Diese wurden erstmals vom Prager Neurologen Arnold Pick beschrieben und heißen deshalb "Pick'sche Körper". FTD wurde früher auch als Morbus Pick bezeichnet.

Was genau diese Veränderungen auslöst, ist noch weitgehend unbekannt.

  • Forschende gehen davon aus, dass die Krankheit in etwa 15 Prozent der Fälle durch Veränderungen in bestimmten Genen ausgelöst wird.
  • Rund die Hälfte der Betroffenen haben zudem Verwandte mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Depression oder Schizophrenie, was auf eine familiäre Komponente hinweist.

Auch Stoffwechselerkrankungen könnten eine Rolle spielen, allerdings sind die Zusammenhänge noch nicht genau erforscht.

Typische Symptome bei Menschen mit FTD

Insbesondere zu Beginn unterscheiden sich die Symptome der Frontotemporalen Demenz von denen anderer Demenzformen, wie der Alzheimer-Krankheit oder der Vaskulären Demenz. Während bei Alzheimer die ersten Anzeichen meist Gedächtnisstörungen sind, zeigen bei Menschen mit FTD vor allem Persönlichkeitsveränderungen, auffälliges Verhalten oder Sprachprobleme.

Es gibt zwei Hauptformen der FTD:

  • Verhaltensvariante (bvFTD): Diese Variante äußert sich durch tiefgreifende Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen wie Enthemmung, Apathie oder Verlust der Empathie.
  • Primär-progressive Aphasie (PPA): Hier steht der fortschreitende Verlust sprachlicher Fähigkeiten im Vordergrund, der sich in verschiedenen Formen äußern kann.

Ein weiteres charakteristisches Merkmal von Menschen mit FTD ist, dass sie bis auf die Demenzsymptome körperlich fit wirken und sich auch gesund fühlen, was die Diagnose zusätzlich erschweren kann.

Symptome der Frontotemporalen Demenz in der Verhaltensvariante (bvFTD)

Die Verhaltensvariante der Frontotemporalen Demenz (bvFTD) zeigt sich durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit. Zu den häufigsten Anzeichen gehören:

  • Enthemmung:
    Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden. Dieses Verhalten wird oft als pervers missverstanden.
  • Apathie:
    Früher Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys, häufig verwechselt mit einer Depression.
  • Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust:
    Gleichgültigkeit gegenüber Emotionen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen, was für Angehörige besonders belastend sein kann.
  • Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten:
    Wiederholte Handlungen wie das fünfmalige Klatschen zur Begrüßung, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
  • Verändertes Essverhalten:
    Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel, wie ausschließlich Schokolade, oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
  • Fehlende Einsicht: 
    Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist. Sie tun Dinge, die soziale Normen verletzen, ohne diese als falsch wahrzunehmen. Zum Beispiel verlassen Sie das Restaurant ohne zu bezahlen – nicht, weil sie es vergessen, sondern weil sie es einfach nicht machen.
  • Neuropsychologisches Profil:
    Defizite bei der Planung und Organisation des täglichen Lebens, während Gedächtnis- und visuell-räumliche Fähigkeiten oft intakt bleiben. Betroffene erzielen im Mini-Mental-Status-Test (MMST) häufig volle Punktzahlen. Was ist der Mini-Mental-Status-Test?

Diese Symptome führen nicht selten zu Fehldiagnosen, da sie psychischen Erkrankungen ähneln können. Für die Angehörigen sind die Veränderungen oft besonders belastend, da sie das alltägliche Zusammenleben stark beeinträchtigen können.

Symptome der Primär Progressive Aphasie (PPA)

Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind: 

  • Semantischer Typ
    Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter. Sie können Dinge oft nicht mehr benennen oder genau beschreiben, selbst wenn sie wissen, was sie sind. Ein Beispiel: Wenn sie das Wort „Kreuzfahrtschiff“ hören, können sie vielleicht „Schiff“ verstehen und Bilder von Schiffen erkennen, wissen aber nicht mehr, was „Kreuz“ bedeutet.
  • Unflüssiger/agrammatischer Typ
    Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger. Die Wörter kommen langsamer über die Lippen und das Sprechen klingt oft angestrengt. Schließlich kann die Sprache ganz versagen, während jedoch andere Fähigkeiten durchaus intakt bleiben. So können manche Menschen beispielsweise noch problemlos ihr Haus renovieren oder sich um ihre Familie kümmern. Häufig treten aber auch Schluckbeschwerden oder parkinsonähnliche Symptome auf.
  • Logopenischer Typ
    Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden. Das Sprechen wird langsam und zögerlich, und sie beschreiben Begriffe umständlich, wenn ihnen die passenden Worte fehlen. Im Gegensatz zu den anderen Formen gehört der logopenische Typ nicht zur Frontotemporalen Demenz, sondern zur Alzheimer-Krankheit. Das liegt daran, dass bestimmte Biomarker, die für die Alzheimer-Krankheit typisch sind, auch bei dieser Form gefunden werden.

Verlauf der Frontotemporalen Demenz

Wie die meisten Demenzerkrankungen hat auch die Frontotemporalen Demenz einen schleichenden Verlauf. Grob lassen sich drei Stadien unterscheiden, die fließend ineinander übergehen:

1. Frühes Stadium

Zu Beginn unterscheiden sich Menschen mit Frontotemporaler Demenz sowohl deutlich von Menschen mit anderen Demenzen als auch untereinander, je nach Subtyp.

  • Verhaltensvariante (bvFTD): Veränderungen in Persönlichkeit und Verhalten stehen im Vordergrund, wie Enthemmung, Apathie oder Verlust von Einfühlungsvermögen. Viele erkennen ihr eigenes Verhalten nicht als problematisch und haben keine Krankheitseinsicht. 
  • Sprachliche Variante (PPA): Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben stehen im Vordergrund. Menschen mit der unflüssigen Form können trotz ihrer sprachlichen Einschränkungen oft weiter aktiv im Alltag sein.

2. Mittleres Stadium

Im mittleren Stadium treten zunehmend Symptome der jeweils anderen Variante auf.

  • Menschen mit bvFTD entwickeln häufig Sprachprobleme wie Wortfindungsstörungen oder eine verlangsamte Sprache.
  • Bei Menschen mit PPA zeigen sich Verhaltensauffälligkeiten wie Enthemmung oder emotionale Abstumpfung.

In diesem Stadium wird Unterstützung im Alltag immer wichtiger, zum Beispiel bei der Körperpflege, beim Anziehen oder bei der Organisation des Alltags.

Menschen mit der Verhaltensvariante brauchen häufig eine 1:1-Betreuung, da sie impulsiv handeln und in sozialen Situationen schwer einzuschätzen sind.

3. Spätes Stadium / Endstadium

Im späten Stadium gleichen sich die Symptome von FTD und anderen Demenzerkrankungen an.

  • Sprache und Verhalten sind stark beeinträchtigt, und es treten zusätzlich Gedächtnisprobleme auf, die an Alzheimer erinnern.
  • Körperliche Symptome wie Bewegungsstörungen, Muskelsteifheit oder Schwierigkeiten beim Schlucken können hinzukommen.

Im Endstadium benötigen die Erkrankten rund um die Uhr Pflege. Die häufigste Todesursache ist eine Lungenentzündung, die durch eine Schwächung des Immunsystems oder Schluckprobleme verursacht werden kann. Die Lebenserwartung bei Frontotemporaler Demenz liegt im Durchschnitt zwischen 7 und 13 Jahren.

Wie wird Frontotemporale Demenz diagnostiziert?

Die Frontotemporale Demenz wird oft nicht sofort erkannt, da insbesondere bei der Verhaltensvariante die Symptome zunächst eher auf eine psychische Erkrankung wie eine Depression, Manie oder Schizophrenie hindeuten.

Da es zur Zeit kein Verfahren gibt, das eine eindeutige Diagnose ermöglicht, erfolgt die Diagnostik bei Verdacht auf FTD immer in mehreren Schritten, wobei auch mögliche andere Ursachen für die Demenzsympome ausgeschlossen werden:

  • Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erfragt zunächst die Krankengeschichte und überprüft die Gedächtnisleistung der erkrankten Person.
  • Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante ist die Einschätzung von Angehörigen entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen haben. Beispiele wie impulsives Handeln oder das Ignorieren sozialer Normen können Hinweise liefern.
  • Psychiatrische Untersuchung: Diese kann andere Ursachen für die Symptome, wie eine Depression, ausschließen. 
  • Bildgebende Verfahren: Mit einer Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) oder einer FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden. Die FDG-PET wird jedoch meist nicht von den Krankenkassen übernommen.
  • Gentests: Sind Blutsverwandte an FTD erkrankt, können Gentests klären, ob eine genetische Ursache vorliegt.
  • Neuropsychologische Tests: Diese können spezifische Defizite in den Bereichen Planung, Organisation und Entscheidungsfähigkeit aufdecken.

Liegt keine Genmutation vor, kann eine sichere Diagnose oft erst nach dem Tod gestellt werden. Eine frühzeitige Diagnose ist jedoch essenziell, um geeignete Maßnahmen einzuleiten und Angehörige zu unterstützen.

Datenbank Gedächtnisambulanzen

Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Dort klären ärztliche Teams die Ursachen für die Demenzsymptome ab. Auch bei Verdacht auf FTD sind Gedächtnisambulanzen die richtige Anlaufstelle.
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Behandlung von FTD

Medikamentöse Behandlung

Die Frontotemporale Demenz ist bisher nicht heilbar und es gibt keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf verlangsamen. Es gibt jedoch Medikamente, die gegen Symptome wie Aggression oder zwanghaftes Verhalten helfen. Diese können von der behandelnden Ärztin oder vom behandelnden Arzt verordnet werden.

Nicht-medikamentöse Behandlung

Durch nicht-medikamentöse Therapieformen, wie sie auch bei Menschen mit Alzheimer-Demenz angewandt werden können einige Symptome der Patienten und Patientinnen gemildert werden. Eine der größten Herausforderungen für Angehörige und/oder Pflegepersonen ist dabei oft mangelnde Einsicht in die eigene Erkrankung - ein Symptom, das bei vielen FTD-Erkrankten auftritt.

Wenn zum Beispiel der Partner versucht, seine kranke Frau von riskanten Geldgeschäften oder unkontrolliertem Essen abzuhalten, kann sie das nicht verstehen - und reagiert möglicherweise frustriert und aggressiv. In diesem Moment muss man sich darüber im Klaren sein, dass man kranke Person nicht davon überzeugen kann, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung ist. 

Wer helfen und unterstützen will, kann daher meist nur versuchen, die jeweiligen Lebensumstände anzupassen und zu lernen, mit aggressivem oder herausforderndem Verhalten umzugehen.

Ergänzend können Therapien helfen, die die Teilhabe und Lebensqualität im Alltag verbessern, wie Ergo-, Kunst- oder Musiktherapie.

Bei Patientinnen und Patienten mit Sprachstörungen können spezialisierte Logopädinnen oder Logopäden dazu beitragen, den Abbau der sprachlichen Fähigkeiten und den Verlust des Wortschatzes zu verlangsamen.

Frontotemporale Demenz vs. Alzheimer - die Unterschiede

Merkmal Frontotemporale Demenz (FTD) Alzheimer
Betroffene Hirnregionen Betrifft hauptsächlich Stirn- und Schläfenlappen Hippocampus zuerst betroffen, später auch Hirnlappen
Alter bei Krankheitsbeginn Meist vor dem 65. Lebensjahr Meistens über 65 Jahre, frühere Fälle möglich
Frühe Symptome Persönlichkeitsveränderungen, Verhalten, Sprachprobleme Beginn mit Gedächtnisstörungen
Symptomverlauf Verhalten und Sprache stark beeinträchtigt Gedächtnis, Denken und Urteilsvermögen betroffen
Kognitive Funktionen Planungs- und Entscheidungsfähigkeiten, Persönlichkeit und Sprache betroffen Gedächtnis und Lernfähigkeit früh beeinträchtigt
Körperliche Symptome Muskelprobleme, Schlucken und Bewegung betroffen Körperliche Symptome treten später auf
Genetische Faktoren In manchen Fällen stärkere genetische Komponente Genetische und Umwelt-Risikofaktoren

Tipps bei Frontotemporaler Demenz

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es weitere Aktivitäten, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig agil bleiben. Diese lassen sich oft gut in den Alltag integrieren:

  • Sport hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung baut Ängste ab, mildert Aggressionen und fördert das Ein- und Durchschlafen. Am besten eignet sich tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.), bei der Atmung und Herzfrequenz erhöht sind, aber noch ein Gespräch möglich ist.
  • Gerade bei weniger fitten Menschen lässt sich Bewegung auch gut in den Alltag integrieren, zum Beispiel bei Spaziergängen mit dem Hund oder bei der Gartenarbeit.
  • Aktivitäten, die das Gehirn anregen wirken sich ebenfalls positiv auf den Verlauf von Demenzerkrankungen aus. Gut für die geistige Fitness sind zum Beispiel Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Finden Sie heraus, was der oder dem Erkrankten Spaß macht und achten Sie darauf, sie oder ihn nicht zu überfordern.
  • Ein gutes Miteinander und soziale Kontakte machen nicht nur zufriedener, sondern halten auch den Kopf fit. Treffen Sie sich mit Freunden, Familie oder Nachbarn und verbringen Sie eine gute Zeit. Auch der regelmäßige Besuch einer Tagespflege kann für Menschen mit Demenz anregend sein.

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Der Ratgeber Die Alzheimer-Krankheit und andere Demenzen beleuchtet neben der Alzheimer-Krankheit auch die vaskuläre Demenz, die Lewy-Körperchen-Demenz, die Frontotemporale Demenz und die Demenz bei Parkinson.
56 Seiten, 2023

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