Eine Spieluhr voller Erinnerungen

Eine Melodie, die Erinnerungen weckt

Lina sitzt auf dem Fußboden im Wohnzimmer ihrer Großeltern und blickt auf die alte Spieluhr in ihren Händen. Es ist Heiligabend, und die Familie hat sich wie jedes Jahr bei Oma Heidi versammelt. Doch dieses Jahr ist vieles anders. Seit der Diagnose Alzheimer hat sich die geliebte Großmutter verändert. Sie erkennt Lina nur noch selten, verwechselt sie manchmal mit ihrer eigenen Tochter von früher.

„Spielst du mir etwas vor, Oma?“, fragt Lina leise und stellt die kleine Spieluhr auf den Tisch. Es ist dieselbe, die Oma Heidi vor vielen Jahren gekauft hat, als Lina noch ein kleines Mädchen war. „Stille Nacht“ spielte die Uhr damals – immer wieder, während Oma mit Lina auf dem Sofa saß und sang.

Kostbare Momente

Heidi blickt auf die Spieluhr, ohne sie zu berühren. Ihre Hände zittern leicht, und in ihrem Gesicht liegt ein Ausdruck von Verwirrung. „Ich weiß nicht … was ist das?“ murmelt sie und schaut hilfesuchend in die Runde. Linas Eltern versuchen, die Situation zu retten. „Lina, lass Oma in Ruhe, sie versteht es gerade nicht,“ sagt ihre Mutter. Doch Lina gibt nicht auf. „Vielleicht kann sie es ja noch, Mama. Sie hat es früher immer für mich gemacht.“

Zögernd dreht Lina den kleinen Schlüssel an der Seite der Spieluhr. Die Melodie erklingt, klar und zart. Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Oma Heidi schließt die Augen. Da ist es – ein Lächeln, so zaghaft, dass es fast nicht da zu sein scheint. Dann beginnt sie leise mitzusingen. Die Töne sind brüchig, die Worte verschwimmen, doch die Melodie findet ihren Weg aus Heidis Erinnerung. Lina rutscht näher zu ihr, und ohne ein Wort legt sie den Kopf auf Omas Schoß. Heidi legt eine zittrige Hand auf Linas Haar, während sie weitersingt.

Es ist ein Moment, der voller Traurigkeit ist – und dennoch voller Hoffnung. Die Krankheit hat Heidi so vieles genommen, doch die Musik, die Liebe zu ihrer Enkelin und die Erinnerung an vergangene Weihnachtsabende haben einen Weg zurück in ihr Herz gefunden.

Leider wird Linas Oma immer weniger klare, schöne Momente mit ihrer Enkelin erleben. Denn wie bei allen Alzheimer-Patient*innen schreitet die Krankheit auch bei ihr voran. Stück für Stück verliert sie Erinnerungen und ihre Persönlichkeit. Irgendwann wird sie wahrscheinlich auch Lina nicht mehr erkennen – eine schreckliche Vorstellung.

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