Doch wie entstand diese Idee? Und wie ist der aktuelle Stand der Forschung? Wir geben Einblicke.
Methylenblau gegen Tau-Fibrillen: Ein überschätzter Kandidat
Ende der 1980er: Die Entdeckung
Die Idee, dass der Farbstoff Methylenblau zur Therapie der Alzheimer-Krankheit geeignet sein könnte, entstand Ende der 1980er in einem Labor der Universität Aberdeen: Der Alzheimer-Forscher und Tau-Protein-Experte Prof. Dr. Claude Wischik beobachtete in einem Experiment, dass ein Tropfen Methylenblau die giftigen Tau-Fibrillen in einem Reagenzglas zum Verschwinden brachte.
Da die Verklumpung des Tau-Proteins als eine der möglichen Hauptursachen für die Entstehung von Alzheimer angesehen wird, lag für Wischik die Idee nahe, diesen Effekt auch bei Menschen mit Alzheimer zu nutzen, um die Tau-Fibrillen im Gehirn zu entfernen und so möglicherweise den kognitiven Abbau zu stoppen.
2008: Erste Hoffnungen
Im Jahr 2008 präsentierte Prof. Dr. Claude Wischik von der Universität Aberdeen auf der Alzheimer's Association International Conference (AAIC) seine Studienergebnisse, die darauf hindeuteten, dass Methylenblau die krankhaften Tau-Proteine angreifen und das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit verlangsamen könnte.
Trotz vielversprechender Ergebnisse in ersten Studien blieben wissenschaftlich fundierte Publikationen aus und die anfängliche Euphorie wurde durch Zweifel am Studiendesign gedämpft.
2012 bis 2015: Weiterführende Studien
In der ersten Hälfte der 2010er Jahre wurde Methylenblau in Phase-II-Studien weiter untersucht, jedoch mit gemischten Ergebnissen. Obwohl einige Studien eine Wirksamkeit nahelegten, gab es keine eindeutigen Beweise, die diese Behauptungen stützten. Die angekündigten Phase-III-Studien, die Klarheit schaffen sollten, lieferten ebenfalls keine überzeugenden Ergebnisse.
So untersuchten Eva-Maria und Eckhard Mandelkow 2015 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn die Wirkung von Methylenblau an Mäusen mit durch Tau-Fibrillen verursachten Gedächtnisstörungen. Ihr Ergebnis: Frühzeitig verabreicht konnte Methylenblau helfen, besser zu denken und sich zu erinnern. Bereits bestehende Gedächtnisstörungen konnten durch Methylenblau nicht behoben werden.
2016: Rückschlag auf dem Alzheimer-Fachkongress AAIC
Auf dem Alzheimer-Kongress AAIC im Juli 2016 präsentierte TauRx Therapeutics Ltd. Daten aus einer großen Phase-III-Studie mit LMTX, einer modifizierten Version von Methylenblau. An der Studie nahmen 890 Probandinnen und Probanden im frühen bis mittleren Krankheitsstadium teil, die 15 Monate lang entweder mit dem Wirkstoff oder mit einem Scheinmedikament (Placebo) behandelt wurden. Die Ergebnisse waren überwiegend negativ, die Behandlung mit LMTX brachte keinen signifikanten Vorteil.
Eine genauere Analyse zeigte jedoch, dass LMTX bei den Testpersonen, die ausschließlich LMTX einnahmen und keine weiteren Alzheimer-Medikamente erhielten, einen positiven Effekt auf die Gedächtnisleistung hatte. Da jedoch nur 15 Prozent der Probandinnen und Probanden LMTX als Monotherapie also nur diesen Wirkstoff einnahmen, sind diese Zahlen wenig aussagekräftig und bedürfen weiterer Untersuchungen.
Nach 2018: Abnehmendes Interesse
Nach den ernüchternden Studienergebnissen von 2018 schwand das Interesse an der Forschung zu Methylenblau im Zusammenhang mit Alzheimer deutlich, und nur wenige Übersichtsarbeiten fassen die Ergebnisse früherer Studien zusammen. Weitere Studien, die sich in diesem Zusammenhang mit Methylenblau beschäftigen, ergaben bisher keine klinisch relevanten Daten.
Fazit: Der aktuelle Forschungsstand
Methylenblau hat seinen Platz als potenzielles Alzheimer-Medikament vorerst verloren, da die erwarteten therapeutischen Effekte nicht bestätigt werden konnten. Die Forschung konzentriert sich nun auf andere, vielversprechendere Ansätze zur Bekämpfung der Alzheimer-Krankheit, zum Beispiel die Antikörper-Wirkstoffe zur Entfernung schädlicher Amyloid-beta-Plaques. Trotz der enttäuschenden Ergebnisse hat die Untersuchung von Methylenblau wertvolle Erkenntnisse über die Mechanismen der Tau-Protein-Aggregation geliefert, die in zukünftige Therapien einfließen könnten.
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Titelbild: asikkk @Canva.com