Leqembi (Lecanemab): Neues Alzheimer-Medikament
Für die medikamentöse Behandlung der Alzheimer-Krankheit wird derzeit eine neue Generation von Wirkstoffen entwickelt.
Einer davon ist der Antikörper Lecanemab, früher auch als BAN2401 bekannt. Lecanemab ist unter dem Handelsnamen Leqembi derzeit unter anderem in den USA, Japan, China, Südkorea, Hongkong, Israel und mit Einschränkungen auch in Großbritannien zugelassen.
Für die EU-Länder hat sich der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA am 26. Juli 2024 gegen eine Zulassung des Wirkstoffes ausgesprochen.
Alles zum aktuellen Stand von Lecanemab.
AFI-Vortrags-Tipp: Alzheimer-Therapie: Was können die neuen Wirkstoffe?
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Lecanemab/Leqembi: Fragen und Antworten
Was ist Lecanemab/Leqembi?
Bei Lecanemab (BAN2401) handelt es sich um einen Antikörper-Wirkstoff zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit.
In den USA wurde dem Wirkstoff am 6. Januar 2023 unter dem Handelsnamen Leqembi eine vorläufige Marktzulassung erteilt. Die vollständige US-Zulassung für das Medikament erfolgte am 6. Juli 2023.
Wer entwickelt den Wirkstoff?
Lecanemab wurde von den Pharmaunternehmen Eisai (Japan) und Biogen (USA) entwickelt.
Wie wirkt Lecanemab/Leqembi?
Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der sich gegen ein Ziel richtet – in diesem Fall das für die Alzheimer-Krankheit charakteristische Protein Amyloid-beta. Aus diesem bestehen die Ablagerungen im Gehirn, die mit der Zerstörung der Nervenzellen in Verbindung gebracht werden.
Hat Lecanemab/Leqembi Nebenwirkungen?
Es traten insgesamt weniger Nebenwirkungen auf, als in Studien zuvor mit vergleichbaren Wirkstoffen. Bei 17 Prozent der Probandinnen und Probanden kam es zu Hirnschwellungen, die aber in den meisten Fällen symptomlos verliefen. Allerdings müssen Hirnschwellungen engmaschig kontrolliert werden, damit es nicht zu gefährlichen Komplikationen wie einer Hirnblutung kommt.
Es wurden Todesfälle von insgesamt drei Studienteilnehmer*innen bekannt, zwei der Todesfälle werden in Zusammenhang mit der Einnahme von Blutverdünnern gebracht. Eisai und Biogen weisen in einer Stellungnahme darauf hin, dass die Todesfälle nicht auf die Einnahme von Lecanemab zurückzuführen sind.
Kann Lecanemab/Leqembi die Alzheimer-Krankheit heilen?
Nein, Lecanemab kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf stoppen. Ziel ist eine Verzögerung der kognitiven Einbußen bei Erkrankten im frühen Alzheimer-Stadium. Diese belief sich der großen Phase-3-Studie auf 27 Prozent nach 18 Monaten.
An welche Patientinnen und Patienten richtet sich Lecanemab/Leqembi?
Der Wirkstoff richtet sich ausschließlich an Erkrankte in einem frühen Krankheitsstadium, die bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu gehören Menschen, bei denen Alzheimer im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) diagnostiziert wurde.
Wie wird Leqembi verabreicht?
Bei der Alzheimer-Therapie mit Leqembi erhalten die Patientinnen und Patienten alle zwei Wochen eine intravenöse Infusion, deren Verabreichung in etwa eine Stunde dauert. In den USA erfolgen die Infusionen entweder in Arztpraxen oder in Infusionszentren.
Wie ist Lecanemab/Leqembi im Vergleich zu bereits erhältlichen Alzheimer-Medikamenten zu bewerten?
In der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit gibt es bisher keine Medikamente, die auf die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung einwirken. Bisherige Medikamente stimulieren die Hirnleistung und können auch Begleiterscheinungen der Erkrankung wie Depressionen behandeln. Lecanemab hingegen greift die für Alzheimer charakteristischen Proteinablagerungen im Gehirn an.
Was haben bisherige Studien zu Lecanemab ergeben?
Der Wirkstoff Lecanemab wurde in den vergangenen zehn Jahren mit mehreren hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern in verschiedenen klinischen Studien untersucht. Ausschlaggebend für die Zulassung waren die Ergebnisse der Phase-3-Studie CLARITY AD, die im November 2022 auf der Alzheimer-Konferenz Clinical Trial on Alzheimer´s Disease (CTAD) vorgestellt wurden.
- An der CLARITY AD-Studie hatten insgesamt 1.795 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Alzheimer-Demenz teilgenommen.
- Während des 18-monatigen Untersuchungszeitraums wurde in regelmäßigen Abständenkognitive Fähigkeiten, wie das Gedächtnis, die Orientierung oder die Fähigkeit, Probleme zu lösen, von Fachleuten überprüft.
- Ergebnis der Studie war, dass die Krankheit bei denjenigen, die Lecanemab erhielten, um 27 Prozent langsamer voranschritt als bei der Kontrollgruppe.
Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für die Betroffene spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht. Dies muss in weiteren Studien untersucht werden.
Wird Leqembi in Deutschland als Medikament zugelassen?
Im Juli 2024 entschied der zuständige Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), das Antikörper-Medikament Leqembi in der EU nicht zuzulassen. Der Grund: Die Nebenwirkungen überwiegen den Nutzen. Zwar kann Leqembi den geistigen Verfall verzögern, doch das Risiko, dass Patienten schwere Nebenwirkungen entwickeln, ist nach Meinung des Ausschusses zu hoch.
Was ist das Besondere an der Zulassung in Großbritannien?
Am 22. August hat Großbritannien als erstes europäisches Land Lecanemab zur Behandlung von Menschen mit Alzheimer zugelassen. Das Besondere daran sind die Auflagen, unter denen die Behandlung durchgeführt werden darf:
- So sind Erkrankte, die aufgrund eines homozygoten ApoE4 Status ein besonders hohes Risiko für schwere Nebenwirkungen haben, von der Behandlung mit Lecanemab ausgeschlossen. (Lesen Sie mehr zum Risiko-Gen ApoE4.)
- Auch Personen, die Blutverdünner einnehmen werden von der Behandlung ausgeschlossen oder müssen diese absetzen.
- Als weitere Sicherheitsmaßnahme wird es ein zentrales Registrierungssystem geben, in dem alle mit Lecanemab behandelten Patientinnen und Patienten zu Beginn der Behandlung erfasst werden. Ob das Medikament ausreichend wirksam ist und sich langfristig bewährt wird zudem in einer parallel laufenden Studie erfasst.
Zwischen vollständiger Zulassung (wie in den USA, Japan oder China) und der Ablehnung (wie in den EU-Ländern) hat Großbritannien also einen Mittelweg gewählt - wie es mit Lecanemab weitergeht und ob für die EU ein Zulassungsmodell wie in Großbritannien in Frage kommt, wird die Zukunft zeigen.
Kann ich Lecanemab/Leqembi kaufen oder mir vom Arzt verschreiben lassen?
Nein, der Wirkstoff ist in der EU nicht zugelassen, derzeit ist Lecanemab nur in den USA, China, Japan, Hong Kong, Südkorea, Israel sowie mit Einschränkungen auch in Großbritannien zugelassen. Nach der Ablehnung durch die EMA im Juli 2024 hat der Hersteller Eisei angekündigt, eine erneute Prüfung der EU-Zulassung zu beantragen.
*Alle Fakten wurden gründlich recherchiert, dennoch kann keine Gewähr übernommen werden. Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) unterhält keine Beziehungen zu den Pharmakonzernen Eisai und Biogen.
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