mit Prof. Dr. Henriette Herwig

Nachbericht zum Online-Vortrag „Demenz im Spielfilm“

Die großen kulturellen Herausforderungen unserer Gesellschaft hinterlassen durch den demographischen Wandel auch in der Filmindustrie ihre Spuren. Vermehrt stehen ältere Figuren im Mittelpunkt von Spielfilmen – und immer wieder auch Menschen mit Demenz.

Deswegen widmete sich Univ.-Prof. Dr. Henriette Herwig beim kostenlosen Online-Vortrag „Demenz im Spielfilm“ der Alzheimer Forschung Initiative (AFI) genau diesem Thema: „Demenz-Filme konfrontieren uns mit der Endlichkeit des Lebens. Aufgrund des Wegfalls der Selbstkontrolle der Erkrankten erlauben Demenz-Filme ein schonungsloses Durchleuchten von Beziehungsstrukturen, Lebensmustern und Lebensläufen. Sie spiegeln damit auch die Rollenkonflikte und ethischen Probleme einer alternden Gesellschaft“. Das zeigte Prof. Herwig insbesondere an drei Filmbeispielen auf.

Im preisgekrönten Fernsehfilm „Mein Vater“ von Andreas Kleinert wird die Belastbarkeit einer deutschen Mittelschichtsfamilie durch die Pflege des demenzkranken Vaters auf die Probe gestellt. Die Alzheimer-Krankheit des Großvaters ist für die zwischen Beruf, Elternschaft und Pflege eingeklemmte mittlere Generation eine Zerreißprobe, an der sie zerbricht. Am Schluss nimmt der Sohn des Erkrankten einen tödlichen Unfall seines Vaters billigend in Kauf, indem er ihn nachts aus dem Haus und auf eine stark befahrene Straße gehen lässt. „Jochen gerät in die »Beziehungsfalle« der »heroischen Pflege« und wird so zum potentiellen Täter. Wo hört die Hilfsbereitschaft auf, wo fängt der notwendige Selbstschutz an? Und was tut die Gesellschaft, um Familienschicksale wie diese zu verhindern?“, fasst Prof. Herwig die Fragestellung des Films zusammen.

Ein filmisches Gegenbeispiel entwirft Til Schweiger in seinem Film „Honig im Kopf“. Er erzählt die Geschichte der Liebe zwischen der Enkelin Tilda und ihrem an Alzheimer erkrankten Großvater Amandus. „Tilda verbündet sich mit dem Opa und errichtet mit ihm eine Gegenwelt, von der aus die ›Normalität‹ der Eltern, als die wahre Gefahr für die Familie erscheint. Der Film spielt mit dem Muster der verkehrten Welt – ein Kind wird zum Beschützer seines Opas“, so Prof. Herwig.

Die Referentin

Prof. Dr. Henriette Herwig ist Lehrstuhlinhaberin für „Neuere deutsche Literatur“ am Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die Forschungsschwerpunkte der Lehrstuhlinhaberin umfassen die Literaturgeschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Einen besonderen Schwerpunkt legt sie dabei auf die Kultur des Alterns.

Mit der Ambivalenz des aktuellen Willens eines Demenz-Kranken befasst sich Nikolaus Leytners Filmdrama „Die Auslöschung“. Hier pflegt die Restauratorin Judith ihren deutlich älteren Lebensgefährten Ernst, einen berühmten Kunsthistoriker. In einer frühen Phase seiner Alzheimer-Erkrankung bitte Ernst sie, ihm bei fortgeschrittener Krankheit bei seinem Suizid zu assistieren. Als es soweit ist, mischt Judith ihm Gift in den Brei. Dabei bleibt unklar, ob der vor längerer Zeit von Ernst geäußerte Wunsch noch aktuell ist und er sich überhaupt noch daran erinnert. Prof. Herwig bringt die Ambivalenz von Judiths Handlung wie folgt auf den Punkt: „Vielleicht will Ernst zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr sterben. Dann ist Judith als Kehrseite ihrer großen Aufopferungsbereitschaft zur Täterin geworden und damit selbst zum Opfer der vorher idyllisierten Pflegesituation. Dann hat sie nicht Ernst von seiner Qual erlöst, sondern sich von ihm.“

Aus Gründen des Urheberrechts können wir diesmal keinen Videomitschnitt des Vortrags und der Filmausschnitte veröffentlichen. Wir bedanken uns bei Frau Prof. Herwig für die Einblicke in die Darstellung von Demenz im Spielfilm der letzten 20 Jahre. Wir bedanken uns auch sehr herzlich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die vielen Fragen.

Ihr Ansprechpartner

Christian Leimbach
Leiter Öffentlichkeitsarbeit
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Tel.: 0211 - 86 20 66 19
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