Fragen und Antworten zum Alzheimer-Wirkstoff (Stand: 17.12.2021)

Aducanumab (Aduhelm): Der aktuelle Stand

Am 17.12.2021 hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den Antrag auf Zulassung des Wirkstoffes Aducanumab zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit in der EU abgelehnt. Die Risiken des Wirkstoffes seien größer als der Nutzen, so die Begründung der EMA.

Anders entschieden hatte zuvor die US-Food and Drug Administration FDA. Die Arzneimittelbehörde hatte den Wirkstoff im Juni unter dem Markennamen Aduhelm für die USA zugelassen. Die Zulassung war höchst umstritten. Wir haben die wichtigsten Fakten zusammengestellt.

Aducanumab / Aduhelm: Fragen und Antworten

Was ist Aducanumab?

Bei Aducanumab handelt es sich um einen Wirkstoff, der in den USA unter dem Medikamentennamen Aduhelm zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit zugelassen ist. Entwickelt wurde das Medikament vom US-Biotechnologiekonzern Biogen.

Wie wirkt Aduhelm?

Aduhelm wirkt auf Grundlage einer passiven Immunisierung. Es handelt sich also um einen Antikörper, der sich gegen ein Ziel richtet – in diesem Fall das für die Alzheimer-Krankheit charakteristische Protein Beta-Amyloid. Aus diesem bestehen die Ablagerungen im Gehirn, sogenannte Plaques, die mit der Zerstörung der Nervenzellen in Verbindung gebracht werden.

An welche Patientinnen und Patienten richtet sich Aduhelm?

Das Medikament richtet sich an Alzheimer-Patientinnen und -Patienten in jedem Krankheitsstadium.

Wie kam es zur Zulassung des Medikamentes in den USA?

Der Zulassung von Aduhelm ging eine kontrovers geführte Diskussion voraus. Aduhelm wurde in zwei Phase-III-Studien mit rund 3.200 Probandinnen und Probanden getestet. Die Ergebnisse waren widersprüchlich. Trotzdem hatte Biogen im Oktober 2020 in Absprache mit der Arzneimittelbehörde FDA einen Zulassungsantrag gestellt. Die FDA hat dem Antrag im Juni 2021 in einem beschleunigten Verfahren zugestimmt. Die Zulassung ist für Hersteller Biogen mit der Auflage verbunden, eine weitere Studie durchzuführen, die den Nutzen von Aduhelm belegen soll.

Warum wurde das Medikament in der EU nicht zugelassen?

Am 17.12.2021 lehnte die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den Antrag auf Zulassung von Aducanmub ab. Begründet wurde die Entscheidung mit der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit und den teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen des Medikamentes. In Studien konnte Biogen zwar belegen, dass Aducanumab wirksam die alzheimerspezifischen Proteinablagerungen aus Beta-Amyloid im Gehirn entfernt. Ob damit aber die kognitiven Fähigkeiten der Patientinnen und Patienten verbessert werden, konnte nicht nachgewiesen werden. Die EMA folgt damit der Empfehlung eines externen Expert*innen-Gremiums, das sich bereits im November gegen eine Zulassung in Europa ausgesprochen hatte.

Waren die Studien nicht gescheitert?

Die Ergebnisse der klinischen Studien mit Aducanumab sind widersprüchlich. Im März 2019 gab Biogen bekannt, dass die Studien abgebrochen werden. Vorausgegangen war eine Zwischenanalyse, die auf Grundlage der bisher gewonnenen Daten von rund 1.700 Probanden basierte und das Erreichen der Studienziele („Endpunkte“) für unwahrscheinlich hielt. Im Oktober erfolgte dann die Kehrtwende: Eine neue Analyse hatte ergeben, dass es doch eine positive Wirkung geben könnte.

Wie kam es zur Kehrtwende?

Die Zwischenanalyse der beiden Aducanumab-Studien dauerte einige Wochen, in der die Studie noch lief. In dieser Zeit wurden weiter Probanden mit Aducanumab behandelt und damit auch weitere Daten zur Wirkung erhoben, die aber nicht mehr in der Zwischenanalyse berücksichtigt wurden. Nach dem Abbruch der Studien wurden dann noch einmal alle Daten ausgewertet von nun rund 3.200 Probanden. Davon hatten rund 2.000 Probanden die 78-wöchige Studie bereits abgeschlossen.

Was war das Ergebnis der neuen Auswertung?

Die Auswertung der Daten zeigte, dass in einer der beiden Studien („Emerge“) eine positive Wirkung beobachtet wurde. In der anderen Studie („Engage“) wurde kein positiver Effekt erzielt.

Wie groß war der Effekt in der „Emerge“-Studie?

Die Probanden aus der Emerge-Studie, die Aducanumab in der höchsten Dosierung bekamen, hatten den größten Effekt. Sie bauten in neuropsychologischen Tests etwas weniger ab als die Placebogruppe. Beim Testverfahren „CDR-SB“ verschlechterten sich die Probanden mit hoher Dosierung nach 78 Wochen um 0,39 Punkte bzw. 22 Prozent weniger, als die Placebogruppe. Beim Mini-Mental-Status-Test (MMST) lag der Vorteil bei 0,6 Punkten bzw. 18 Prozent.

Wie ist Aduhelm im Vergleich zu bereits erhältlichen Alzheimer-Medikamenten zu bewerten?

Bislang gibt es in der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Erkrankung keine Medikamente, die auf die grundlegenden Mechanismen der Erkrankung einwirken. Die bisherigen Medikamente stimulieren die Hirnleistung, darüber hinaus können Begleiterscheinungen der Erkrankung, zum Beispiel eine Depression, behandelt werden. Aduhelm setzt dagegen an den für die Alzheimer-Krankheit charakteristischen Proteinablagerungen im Gehirn an.

Kann Aduhelm die Alzheimer-Krankheit heilen?

Nein, Aduhelm kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf stoppen. Allenfalls eine leichte Verzögerung der kognitiven Einbußen scheint möglich.

Hat Aduhelm Nebenwirkungen?

In den Studien wurden Nebenwirkungen beobachtet, die bei höherer Dosierung verstärkt auftraten. Rund 35 Prozent der Probanden, welche die höchste Dosierung verabreicht bekamen, hatten leichte Schwellungen des Gehirns, die bei Aussetzen der Dosierung wieder abnahmen.

Kann ich an einer Studie zu Aducanumab teilnehmen?

Derzeit werden keine Probandinnen und Probanden gesucht.

Kann ich Aduhelm kaufen oder mir ärztlich verschreiben lassen?

Nein, Aduhelm ist bisher nur in den USA zugelassen. Eine Zulassung für Europa und damit auch für Deutschland liegt nicht vor. Deshalb ist das Medikament hier nicht erhältlich.

*Alle Fakten wurden gründlich recherchiert, dennoch kann keine Gewähr übernommen werden. Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) unterhält keine Beziehungen zu Biogen.

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