„kleiner, du bist ja auch da!“
20.06.2017
alzheimer kann jeden treffen. intellektuelle und weniger intellektuelle menschen, leise und laute, sportliche und weniger sportliche, unbekannte und prominente. besonderes aufsehen erregen die prominenten fälle. das liegt in der natur der sache. erst recht wenn es ein sportliches großmaul mit einem selbstinszenierten macho-image trifft, so wie rudi assauer. 2012 outete sich der einst wortgewaltige und provokante ehemalige schalke-manager. durch assauer bekam alzheimer nicht nur ein gesicht, sondern auch eine sehr große mediale aufmerksamkeit. daraus wiederum resultierte viel aufklärung für alle. deswegen war das outing von assauer ironischerweise ein glücksfall für die krankheit und das krankheitsbild an sich. bei aller persönlicher tragik.
alleine bei der AFI gab es einen deutlichen „assauer-effekt“ zu spüren. im jahr 2012 hat die AFI 37.000 info-broschüren verschickt. das war zu diesem zeitpunkt ein absoluter rekord in der geschichte der alzheimer forschung initiative. es zeigt, wie groß der informationsbedarf ist. und es zeigt auch, dass es manchmal ein ‚idol’ braucht, um sich selbst zu trauen.
in der öffentlichkeit wird alzheimer langsam zu einem fast schon ganz normalen thema. das merke ich selbst daran, wie oft ich auf meine tätigkeit als AFI-botschafterin angesprochen werde. und zwar von den unterschiedlichsten leuten in den unterschiedlichsten momenten. jeder kennt jemanden, der dement ist. alzheimer ist kein tabu mehr. im gegenteil. auch in den medien setzt sich das thema durch.
talkshows im fernsehen befassen sich mit der thematik, es gab mit ‚honig im kopf’ einen erfolgreichen deutschen kinofilm von und mit til schweiger und die us-schauspielerin julianne moore bekam für ihre rolle in dem alzheimer-streifen ‚still alice – mein leben ohne gestern’ sogar einen oscar als beste hauptdarstellerin. je selbstverständlicher sich das thema bei uns im alltag wiederfindet, desto mehr aufmerksamkeit gilt dieser gruseligen krankheit und desto mehr verlieren wir vielleicht auch unsere berührungsängste. alzheimer bekommt eine art normalität. das kommt allen zugute. den kranken selbst, den pflegenden angehörigen und dem gesamten umfeld. das ist wichtig. denn es werden immer mehr werden. der größte risikofaktor an alzheimer zu erkranken ist und bleibt das alter. da der demografische wandel uns prophezeiht, dass wir alle immer älter werden, wissen wir wohin die reise gehen wird... in eine welt mit immer mehr alzheimer-patienten. intellektuelle und weniger intellektuelle, leise und laute, sportliche und weniger sportliche, unbekannte und prominente alzheimer-patienten. sehen wir die prominenteren fälle doch als mutmacher, die verdeutlichen, dass man nicht alleine ist, dass man nichts dafür kann, dass man nichts falsch gemacht hat und dass alzheimer schlicht kein makel (mehr) ist.
die symptome der krankheit sind bei allen und über alle gesellschaftlichen grenzen hinaus die gleichen. so kamen bei rudi assauer anlässlich der feierlichkeiten zum 20jährigen europapokalsieg (stichwort eurofighter) ende mai in der arena auf schalke die erinnerungen hoch und bewirkten, dass er sich selbst wieder erinnerte. zu olaf thon, einem schalker urgestein, der beim großen triumph der eurofighter 1997 dabei war sagte er: „kleiner, du bist ja auch da!“ zuvor hatte er olaf thon drei jahre lang nicht erkannt.
bleibt stark!
eure
Vita
Okka Gundel wurde 1974 in Ostfriesland geboren. Nach einem Studium der Sozialwissenschaften in Paris, Göttingen und Nizza absolvierte sie von 2002 bis 2003 ein Programm-Volontariat beim WDR. Seit 2004 moderiert die 46-Jährige verschiedene Sportformate im Fernsehen. Bekannt ist sie aus der ARD-Sportschau, dem Morgenmagazin der ARD und den Tagesthemen. Okka Gundel lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Köln. Seit 2012 ist sie Botschafterin der Alzheimer Forschung Initiative.
Lesen Sie das bewegende Interview!
Zehn Jahre hat Christa Schneider ihre an Alzheimer erkrankte Mutter Trudi begleitet. In einem bewegenden Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen mit der Krankheit. Ihr Fazit: vorbeugen so gut es geht und spenden für die Alzheimer-Forschung.