Warum sind Frauen häufiger betroffen?

Frauen und Alzheimer

Rund zwei Drittel der Alzheimer-Erkrankten sind Frauen.

Dies liegt nicht nur an ihrer höheren Lebenserwartung. Auch der Vergleich zwischen gleichaltrigen Frauen und Männern mit Alzheimer zeigt: Bei Frauen ist die Demenz oft weiter vorangeschritten.

Forschende vermuten daher, dass weitere Faktoren eine Rolle spielen - etwa hormonelle oder genetische Unterschiede. Neue Erkenntnisse dazu könnten helfen, Alzheimer in Zukunft gezielter vorzubeugen und zu behandeln. 

Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Faktoren, die das erhöhte Alzheimer-Risiko bei Frauen erklären könnten.

Risikofaktor 1: Der weibliche Hormonhaushalt

Ein zentraler Faktor, der im Zusammenhang mit dem erhöhten Alzheimer-Risiko von Frauen erforscht wird, ist der weibliche Hormonhaushalt. Besonders im Fokus steht dabei Estradiol, ein Hormon aus der Gruppe der Östrogene.

Studien deuten darauf hin, dass der sinkende Estradiolspiegel vor, während und nach der Menopause das Risiko für Alzheimer erhöhen könnte. Umgekehrt könnte ein Ausgleich dieses Hormonspiegels durch Hormonpräparate einen schützenden Effekt haben. Dies zeigen Untersuchungen an Frauen, die aufgrund der Wechseljahre oder einer Brustkrebstherapie eine Hormonersatztherapie erhalten haben.

Hinweise auf Schutzeffekt von Hormontherapien in der Menopause

Zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden erhalten viele Frauen zu Beginn der Wechseljahre eine Hormonersatztherapie.

Studien zeigen nun, dass die Therapie mit Estradiol-Präparaten möglicherweise auch einen vorbeugenden Effekt auf Alzheimer haben könnten. Bei den untersuchten Frauen fanden die Forschenden weniger Tau-Fibrillen im Gehirn. Diese schädliche Ablagerungen stehen mit der Entstehung und dem Fortschreiten von Alzheimer in Verbindung.

Die Forschung zeigt aber auch, dass die Wirkung der Therapie vom Zeitpunkt abhängt: So tritt der schützende Effekt auf das Alzheimer-Risiko vor allem bei Frauen auf, die während des Übergangs in die Menopause oder in der frühen Postmenopause mit der Hormontherapie beginnen.

Kann ich mit einer Hormonersatztherapie Alzheimer vorbeugen?

  • Nein, nach heutigem Wissensstand kann eine Hormonersatztherapie Alzheimer nicht generell vorbeugen. Sie scheint lediglich das erhöhte Risiko zu verringern, das durch das Absinken des Estradiolspiegels in den Wechseljahren entsteht.
  • Da der Zusammenhang zwischen der Therapie und der Alzheimer-Krankheit noch nicht vollständig erforscht ist, sollte eine Hormonersatztherapie nicht ohne medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden.

Möglicher Schutzeffekt auch bei Brustkrebs-Patientinnen beobachtet

Auch die Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie mit Brustkrebspatientinen weisen auf den möglichen Schutzeffekt einer Hormonersatztherapie hin: Von insgesamt 18.000 untersuchten Frauen über 65 Jahren, die an Brustkrebs erkrankt waren, erhielten rund 12.000 eine Hormontherapie. Diese Frauen erkrankten seltener an Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen als Frauen ohne Hormontherapie. 

Allerdings gibt es auch Hinweise, dass Hormontherapien nach den Wechseljahren, insbesondere in Kombination mit Gestagenen, das Brustkrebsrisiko erhöhen können. Diese Zusammenhänge müssen weiter erforscht werden, um klare Handlungsempfehlungen geben zu können.

Wie genau Estradiol und andere Hormone das Alzheimer-Risiko beeinflussen, ist noch nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass Estradiol die Regulierung des Apolipoproteins E (ApoE) beeinflusst, wobei die Genvariante ApoE4 als größter genetischer Risikofaktor für Alzheimer gilt. Frauen mit dieser Genvariante erkranken häufiger als Männer.

Risikofaktor 2: Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems spielt eine wichtige Rolle, wenn es um das Risiko für verschiedene Krankheiten geht – auch für Alzheimer. Insbesondere bei Frauen gibt es eine Reihe von Zusammenhängen zwischen den Wechseljahren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz, die in der Forschung genauer untersucht werden. 

Nach der Menopause haben Frauen ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was auch ihr Alzheimer-Risiko erhöht. Dieser Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Alzheimer ist bereits gut erforscht.

Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck und ein hoher LDL-Cholesterinspiegel erhöhen ebenfalls die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken. Weitere Risikofaktoren wie das häufigere Vorkommen des ApoE4-Proteins bei Frauen und bestimmte Gene auf dem X-Chromosom könnten das Risiko ebenfalls erhöhen.

Diese Zusammenhänge müssen jedoch noch weiter erforscht werden, um gezieltere Diagnosen und Behandlungen zu ermöglichen.

Risikofaktor 3: Die geringere Berücksichtigung von Frauen in klinischen Studien

Obwohl Frauen und Männer heute gleichberechtigt an klinischen Studien teilnehmen, werden geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Auswertung der Daten oft vernachlässigt. Auch in der Alzheimer-Forschung wurden geschlechtsspezifische Unterschiede nicht berücksichtigt, obwohl seit langem bekannt ist, dass Alzheimer bei Frauen und Männern unterschiedlich verläuft.

Ein Beispiel ist das Alzheimer-Medikament Leqembi (Wirkstoff Lecanemab). Es bekämpft die für Alzheimer typischen Ablagerungen im Gehirn. Studien haben jedoch gezeigt, dass es bei Menschen mit einem bestimmten Gen, dem ApoE4-Gen, anders wirkt - vor allem bei Frauen. Bei ihnen verlangsamte sich der geistige Abbau deutlich weniger als bei Männern. Insbesondere Frauen mit diesem Gen, die ohnehin das höchste Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken, profitieren weniger von der Therapie.

Das bedeutet, dass der gleiche Wirkstoff bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken kann. Auch wenn die Studien nicht darauf ausgelegt waren, diese Unterschiede im Detail zu untersuchen, sollten diese Ergebnisse nicht ignoriert werden. Forscherinnen und Forscher fordern bereits, die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Alzheimer in Zukunft genauer zu untersuchen. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA fordert sogar zusätzliche Studien, um die Wirkung von Alzheimer-Medikamenten bei Frauen besser zu verstehen und gegebenenfalls anzupassen.

Risikofaktor 4: Die sozioökonomische Situation

Ein weiterer Aspekt, der bei den geschlechtsspezifischen Unterschieden in Bezug auf die Alzheimer-Krankheit berücksichtigt werden muss, sind neben den biologischen Faktoren (engl. sex) auch sozioökonomische Einflüsse (engl. gender).

Studien zeigen, dass Frauen (im Sinne von gender) in der medizinischen Versorgung, zum Beispiel bei der Vergabe von Schmerzmitteln, häufig benachteiligt und Vorurteilen ausgesetzt sind. Auch die Bildungschancen unterscheiden sich in manchen Regionen noch immer deutlich zwischen Frauen und Männern. Der Bildungsstatus beeinflusst wiederum bestimmte Risikofaktoren für Alzheimer.

Zwar sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den letzten Jahren deutlich stärker in den Fokus der Alzheimer-Forschung gerückt, doch es bleibt noch viel zu tun, um Frauen und Männern gezielt helfen zu können.

Quellen

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Women's Brain Project. (2024, July 19). Gender difference in neurodegenerative diseases. Women's Brain Project.

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