Alzheimer-Gen auf der Anklagebank

Abbildung einer erkrankten Nervenzelle
Eine erkrankte Nervenzelle mit Plaques und Fibrillen
  |   Forschung

Die Ermittlungen im Fall „Alzheimer“ laufen auf Hochtouren. Weltweit haben Forscher die Verursacher des neuronalen Massensterbens im Gehirn zur Fahndung ausgeschrieben. Bislang konnten aber längst nicht alle Drahtzieher im Hintergrund der Gehirnleistungsstörung überführt werden, die das schädliche Beta-Amyloid- und Tau-Protein ihre zerstörerische Arbeit verrichten lassen. Jetzt steht eine Genvariante im Zentrum der Untersuchung.

Den Ermittlern sitzt die Zeit im Nacken. Das weiß auch Prof. Dr. Walter E. Müller. „Das am besten belegte Alzheimer-Risiko ist das Alter“, sagt der Vorsitzende unseres Wissenschaftlichen Beirats. Und diese Tatsache ist fatal, denn die Lebenserwartung steigt immer weiter. Der so genannte demografische Wandel schlägt in den nächsten Jahren mit immer größerer Wucht zu.

Ein alter Bekannter: ApoE 4

Die Erben des bayrischen Nervenarztes Dr. Alois Alzheimer, der 1906 erstmals auf die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn aufmerksam machte und damit die Untersuchungen einleitete, suchen seitdem nach krankheitsbegünstigenden Faktoren. Auf der Hand lag, dass wie bei vielen anderen Krankheiten ein Teil des Risikos für die späte Alzheimer-Form genetischen Einflussfaktoren zugeschrieben werden muss.

Ein großer Fund stellte Anfang der Neunziger die Identifikation des Gens für Apolipoprotein E dar, dessen Variante ApoE 4 die Erkrankungswahrscheinlichkeit um das zwei- bis vierfache erhöht. Das Gen für ApoE erklärt aber nur einen kleinen Teil des gesamten genetischen Risikos. In den folgenden Jahren konnten zwar weitere Genvarianten ausfindig gemacht werden, die in Verbindung mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko stehen, ein Durchbruch war aber nicht zu verzeichnen. Jetzt ist Wissenschaftlern offensichtlich ein weiterer Coup im Fall „Alzheimer“ gelungen.

Ein US-amerikanisches Forscherteam unter der Führung von Dr. Andrew J. Saykin an der Indiana University School of Medicine kombinierte genetisches Datenmaterial von 555 Probanden mit PET-Aufnahmen von Alzheimer-Plaques in ihren Gehirnen. Die Probandengruppe setzte sich aus Alzheimer-Patienten, Menschen mit erhöhtem Risiko und gesunden Probanden zusammen.

Neu auf der Bildfläche: BCHE

Ziel war es Gene zu überführen, die mit der Ablagerung von Alzheimer-Plaques in Verbindung stehen. Es zeigte sich wiederum, dass Probanden, die bei den PET-Aufnahmen eine erhöhte Anzahl von Plaques aufwiesen, in einem statistisch signifikanten Maße das ApoE 4-Gen hatten. Darüber hinaus konnte dies aber erstmals auch für eine Variante des Gens BCHE gezeigt werden.

Ein Blick auf die Funktion von BCHE rückt das Ausmaß der Entdeckung ins rechte Licht. Das Gen ist verantwortlich für ein Enzym, welches den Neurotransmitter Acetylcholin aufspaltet. Bei Alzheimer kommt es bereits in einem frühen Stadium zu einem Acetylcholin-Mangel, der die Kommunikation zwischen den Nervenzellen immer schwieriger macht. Dieser Mangel kann in der ersten Zeit durch die Gabe von Acetylcholinesterase-Hemmern ausgeglichen werden.

„Die Forschungsergebnisse eröffnen neue therapeutische Strategien, die in der Beeinflussung des BCHE-Enzyms liegen“, sagt Studienleiter Dr. Saykin. Es gibt bereits Wirkstoffe, die dieses Enzym hemmen, unklar ist aber, ob damit auch die Ablagerung der Alzheimer-Plaques beeinflusst wird. Auf der Anklagebank sitzt BCHE also bereits, die Forscher müssen ihm aber noch das Handwerk legen.

Einschätzung von Dr. Maï Panchal

Die Leiterin der Forschungsmittelvergabe der AFI, Dr. Maï Panchal, schätzt die Forschungsergebnisse ein:

„Das ApoE 4-Gen ist immer noch der größte bekannte Risikofaktor für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit. Die aktuelle Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass BCHE tatsächlich eine genetische Determinante der Eiweiß-Ablagerung ist.“

„Die Studie eröffnet der Alzheimer-Forschung neue Möglichkeiten. BCHE könnte, wie andere Genvarianten auch, ein Ansatzpunkt für einen Wirkstoff sein. Hier kommt auf die Forschung eine Menge Arbeit zu.“

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