„Internationale Vernetzung wird immer wichtiger“

Prof. Martin Dichgans und Dr. Katharina Bürger
Dr. Kathaina Bürger, Prof. Martin Dichgans
  |   Forschung

Warum bleibt das Gedächtnis bei einigen älteren Menschen intakt - trotz einer Vielzahl von Alzheimer-Plaques im Gehirn? Diese Frage möchte Prof. Dr. Martin Dichgans von der Ludwig-Maximilians-Universität München mit finanzieller Unterstützung der AFI beantworten. Im exklusiven Interview berichtet der Wissenschaftler über die Geheimnisse der sogenannten „kognitiven Reserve“ und erklärt, warum ein Blick über die Ländergrenzen hinweg für die Alzheimer-Forschung so wichtig ist.

Herr Prof. Dr. Dichgans, die Nonnenstudie und die dort beschriebene kognitive Reserve werden oft als Beweis gegen die Amyloid-Hypothese angeführt. Wie stehen Sie dazu?

In der Nonnenstudie sowie nachfolgend mehreren anderen Studien wurde gezeigt, dass selbst bei Vorliegen von abnorm hohen Aß Ablagerungen im Gehirn nicht zwangsläufig mentale Einbußen zu beobachten sind. Es ist momentan unklar, welche kritischen Faktoren hinzukommen müssen, so dass Aß-assoziierte mentale Defizite auftreten. Eine Einflussgröße kann kognitive Reserve sein. Die Hypothese ist, dass eine Aß-assoziierte Schädigung von bestimmten Gehirnbereichen durch verstärkte Aktivierung von noch nicht betroffenen Gehirnbereichen ausgeglichen wird. Dies würde darauf hindeuten, dass das Gehirn in gewissem Rahmen flexibel ist, mit Aß assoziierten Gehirnschädigungen umzugehen, um mentale Fähigkeiten aufrechtzuerhalten.

Die kognitive Reserve wurde bislang anhand von IQ und Ausbildungsgrad gemessen. Intellektuelle wie Ernst Albrecht sind trotzdem nicht gegen Alzheimer gefeit. Warum?

Kognitive Reserve ist wohl nur ein Einflussfaktor, um die Effekte von Aß und anderen pathologische Veränderungen auf mentale Leistungen zu reduzieren, nicht zu verhindern. Kognitive Reserve kann damit den positiven Effekt haben, dass dementielle Symptome zu einem späteren Zeitpunkt auftreten im Vergleich zu Personen, die geringere kognitive Reserve aufweisen. Wenn die Pathologie im Gehirn sich weiter ausbreitet, reichen kompensatorische Prozesse der kognitiven Reserve nicht mehr aus und dementielle Symptome können sich dann auch bei Personen mit hoher kognitiver Reserve bemerkbar machen. Anzumerken ist auch, dass Messgrößen von kognitiver Reserve, wie z.B. Ausbildungsgrad und geistige Aktivität, nur Annäherungen an das Konzept der kognitiven Reserve sind. Welche Gehirnprozesse der kognitiven Reserve konkret unterliegen, wissen wir noch nicht. Unsere Studie versucht zur Klärung eben dieser Frage beizutragen.

Angenommen eine höhere kognitive Reserve ist tatsächlich mit Veränderungen in der Gehirnaktivität bestimmter Gehirnbereiche verbunden. Ließe sich die kognitive Reserve dann gezielt trainieren?

Das ist eine interessante Perspektive. Studien zu kognitiven Training haben positive Effekte auch auf die Gehirnaktivität gezeigt. Eine bessere Beschreibung von bestimmten Gehirnnetzwerken, die mit höherer kognitiver Reserve zusammenhängen, ist eine wichtige Voraussetzung zur gezielten Stärkung von Gehirnprozessen, sei es durch kognitives Training oder medikamentöse Behandlung.

Sie arbeiten in diesem Projekt mit Forschungseinrichtungen in Dublin und San Francisco zusammen. Wie wichtig ist die internationale Vernetzung?

Die internationale Vernetzung wird immer wichtiger um Expertisen zusammenzubringen und zeitnah aussagekräftige Studienergebnisse zu gewinnen. Wir werden mit Prof. Bokde am Trinity College in Dublin zur Entwicklung der fMRT Methodik eng zusammenarbeiten. Prof. Ewers, ehemals an der University of California in San Francisco, konnten wir kürzlich für unser Institut gewinnen und er wird das Projekt in der Datenauswertung unterstützen.

Wie entstand der Kontakt zur AFI? Wie wichtig ist die private Forschungsförderung im heutigen Wissenschaftsbetrieb?

Wir sind für die Möglichkeit der Förderung durch private Stiftungen sehr dankbar. Innerhalb einer ungewissen politischen Landschaft der Forschungsförderung ist die private Unterstützung eine sehr wichtige Quelle zur Gewährleistung erstklassiger universitärer Forschung. Das Programm von AFI zur Finanzierung von Pilotprojekten ist besonders gut geeignet, um neue Forschungsideen zeitnah zu testen und damit die Basis für weitergehende Studien für die diagnostische und therapeutische Anwendung der Forschungsergebnisse zu schaffen.

Prof. Dr. Martin Dichgans von der Ludwig-Maximilians-Universität München wird von der Alzheimer Forschung Initiative e.V. mit seinem Projekt „Gehirnprozesse der kognitiven Reserve: eine fMRT Studie“ vom 1. November 2012 bis 31. Oktober 2013 mit 39.750 Euro gefördert.


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