Depressionen und Demenz - eine enge Verbindung
Depressionen und Demenzen gehören zu den häufigsten Erkrankungen im höheren Lebensalter.
Beide können das Denken, Fühlen und Handeln erheblich beeinträchtigen – und treten nicht selten gemeinsam auf.
Eine Depression kann so ausgeprägt sein, dass sie auf den ersten Blick wie eine Demenz wirkt. Umgekehrt kann auch eine Demenz depressive Symptome auslösen. Darüber hinaus gilt die Depression als Risikofaktor für die Entstehung einer Demenzerkrankung.
Je nach Verlauf und Stadium ist die Abgrenzung zwischen beiden Erkrankungen schwierig – aber entscheidend für eine angemessene Behandlung.

fggato/shutterstock
Was ist eine Altersdepression?
Depressionen können in jedem Alter auftreten. Wenn sie erst im höheren Lebensalter beginnen, spricht man häufig von einer Altersdepression. Gemeint ist damit keine eigene Krankheit, sondern eine Form der Depression mit alterstypischen Auslösern – und Symptomen, die oft übersehen werden.
Denn bei älteren Menschen zeigen sich Depressionen oft anders als bei Jüngeren. Die typischen Anzeichen wie Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit treten weniger deutlich auf – oder werden bewusst überspielt. Stattdessen ziehen sich Betroffene zurück, verlieren das Interesse an früheren Aktivitäten oder wirken still und kraftlos.
Auch körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Schwindel, Schlafprobleme oder Verdauungsstörungen können auf eine Depression hinweisen – und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Zu den häufigsten Auslösern im Alter gehören gesundheitliche Einschränkungen, der Verlust von Selbstständigkeit oder Mobilität sowie einschneidende Veränderungen wie der Renteneintritt, der Auszug der Kinder oder der Tod nahestehender Personen. Auch soziale Isolation und Einsamkeit können krank machen.
Die gute Nachricht: Depressionen lassen sich auch im höheren Lebensalter wirksam behandeln – und eine Besserung ist in jedem Alter möglich.

Juan Moyano/Canva
Wenn eine Depression das Denken verändert - Pseudodemenz
Depressionen beeinflussen nicht nur die Stimmung, sie können auch das Denken verändern. Viele ältere Menschen mit Depressionen wirken vergesslich, unkonzentriert oder unsicher. Sie beschreiben ihr Denken als „blockiert“, Entscheidungen fallen ihnen schwer.
Manchmal verlangsamen sich auch Sprache und Bewegungen. Orientierung und logisches Denken bleiben aber meist erhalten. Trotzdem entsteht gerade bei älteren Menschen schnell der Eindruck, es könne sich um eine beginnende Demenz handeln.
Fachleute sprechen in solchen Fällen von einer „Pseudodemenz“ – einer kognitiven Beeinträchtigung, die durch eine Depression entsteht. Im Gegensatz zu einer echten Demenz ist sie behandelbar – und kann sich vollständig zurückbilden, wenn die Depression erfolgreich therapiert wird.
Veränderungen wie Gedächtnis- oder Verhaltensauffälligkeiten sollten deshalb immer ärztlich abgeklärt werden – am besten in einer neurologischen oder geriatrischen Praxis oder einer Gedächtnissprechstunde.

courtney_k/Canva
Datenbank Gedächtnisambulanzen
Gedächtnisambulanzen oder Gedächtnissprechstunden sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf kognitive Störungen spezialisiert sind. Liegt eine Pseudodemenz vor, kann diese dort festgestellt werden.
Zur Datenbank
Depressionen vs. Demenz - was sind die Unterschiede?
Depression und Demenz können sich im höheren Lebensalter auf sehr ähnliche Weise zeigen. Vergesslichkeit, Konzentrationsprobleme, Antriebslosigkeit – all das kann bei beiden Erkrankungen auftreten. Kein Wunder also, dass eine eindeutige Diagnose oft schwierig ist.
Trotzdem gibt es typische Merkmale, die eine Unterscheidung erleichtern.
Ein zentraler Unterschied: Menschen mit einer Depression nehmen ihre kognitiven Einschränkungen meist sehr bewusst wahr und sprechen diese auch an. Viele äußern Sätze wie „Ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren.“ oder „Ich weiß gar nichts mehr.“ Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, erkennen ihre Ausfälle oft nicht – oder spielen sie herunter.
Auch beim Gedächtnis zeigen sich Unterschiede: Bei der einer Depression treten Gedächtnisprobleme oft nur phasenweise auf und können durch Stress verstärkt werden. Bei einer Demenz dagegen verschlechtert sich die Gedächtnisleistung allmählich und dauerhaft – besonders das Kurzzeitgedächtnis ist beeinträchtigt. (Mehr zu Vergesslichkeit als Demenzsymptom)
Die Deutsche Depressionshilfe nennt folgende Merkmale zur Unterscheidung:
Folgende Punkte sprechen eher für eine Depression
- Beginn innerhalb weniger Wochen
- depressive Stimmung, die kaum beeinflussbar ist und sich über einen längeren Zeitraum hinweg konstant zeigt
- Erkrankte klagen über ihren Zustand und sagen: „Ich kann und weiß nichts mehr.“
- im Tagesverlauf durch Morgentief und Aufhellung am Abend gekennzeichnet
- gehemmtes und verlangsamtes Denken, aber nicht verwirrt
Dies spricht eher für eine Demenz (Typ Alzheimer)
- schleichender Beginn über Monate
- Stimmung insgesamt eher instabil und leichter zu beeinflussen
- die Erkrankten klagen eher wenig, haben „keine Probleme“ und verleugnen
- Orientierung in Raum und Zeit ist beeinträchtigt
- Nicht selten nächtliche Verwirrtheitszustände
Wie wirkt sich eine Depression auf einen Menschen mit Demenz aus?
Auch bei Menschen mit Demenzerkrankungen wie Alzheimer kann sich im Verlauf zusätzlich eine Depression entwickeln. Das ist nicht ungewöhnlich: Fachleute schätzen, dass rund 40 Prozent aller Alzheimer-Erkrankten depressive Symptome zeigen.
Besonders häufig tritt die Depression im frühen bis mittleren Stadium auf – in einer Phase, in der erkrankten Menschen merken, dass etwas nicht stimmt, es aber nicht genau einordnen oder beeinflussen können. Diese Unsicherheit kann Ängste auslösen.
Die Anzeichen für Depressionen bei Demenz sind unterschiedlich:
- Manche Menschen mit Demenz werden unruhig, suchen ständig Nähe oder vermeiden es, allein zu sein.
- Andere ziehen sich zurück, schlafen schlecht oder entwickeln ein ungewöhnliches Sammelverhalten.
- Oft kommen körperliche Beschwerden hinzu – etwa Kopf- oder Magenschmerzen.
- Die Konzentration lässt nach, der Alltag wird als überfordernd erlebt.
Gleichzeitig fällt es aufgrund der kognitiven Einschränkungen zunehmend schwer, Gefühle wie Traurigkeit, Schuld oder Hoffnungslosigkeit mitzuteilen.
Insgesamt ähnelt eine Depression bei Demenz in vielen Punkten der Depression ohne Demenz – doch es gibt auch Unterschiede:
- Sie verläuft oft milder und kürzer.
- Die Symptome können kommen und gehen.
- Menschen mit Demenz sprechen seltener über Suizidgedanken.
Klar ist: Eine unbehandelte Depression kann bei Demenz nicht nur die Lebensqualität deutlich verschlechtern, sondern auch die geistige Leistungsfähigkeit.

pepifoto/Canva
Behandlung von Depressionen bei Demenz
Auch wenn die Diagnose manchmal schwierig ist: Eine Depression lässt sich auch bei bestehender Demenz behandeln. Ziel ist es, die Stimmung zu stabilisieren, Unruhe und Rückzug zu verringern – und die Lebensqualität spürbar zu verbessern.
Im Vordergrund stehen nicht-medikamentöse Maßnahmen. Dazu gehören strukturierende Tagesabläufe, Bewegung, Musik, Gespräche, kreative Angebote oder soziale Kontakte. Diese Ansätze sind individuell anpassbar und können sich positiv auf Stimmung, Schlaf und Antrieb auswirken.
In bestimmten Fällen kann auch eine medikamentöse Behandlung sinnvoll sein: Antidepressiva wie Mirtazapin oder Sertralin gelten als gut verträglich und beeinflussen die kognitive Leistungsfähigkeit nicht negativ. Allerdings sprechen Menschen mit Demenz häufig weniger gut auf Medikamente an als Menschen ohne Demenz.
Depressionen bei Demenz: Was tun als Angehörige/r?
Wenn Menschen mit Demenz zusätzlich an einer Depression erkranken, ist das für Angehörige oft besonders belastend. Rückzug, Traurigkeit, körperliche Beschwerden oder Hoffnungslosigkeit lassen sich schwer einordnen, vor allem, wenn die betroffene Person sich nicht mehr klar äußern kann.
Angehörige übernehmen in dieser Situation eine wichtige Rolle: Sie können aufmerksam beobachten, verständnisvoll begleiten und dabei helfen, dass professionelle Unterstützung in Anspruch genommen wird. Eine Therapie können sie nicht ersetzen, aber sie können den Alltag spürbar erleichtern.
Diese Anregungen können helfen:
- Ermutigen Sie zu ärztlicher Hilfe. Erklären Sie, dass eine Depression keine Schwäche ist, sondern eine behandelbare Erkrankung.
- Achten Sie auf mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten. Einige Wirkstoffe können depressive Symptome verstärken – sprechen Sie dies offen im Arztgespräch an, gerade auch, wenn mehrere Medikamente gleichzeitig eingenommen werden.
- Fördern Sie soziale Kontakte. Einsamkeit verstärkt Depressionen. Gespräche, Gruppentreffen oder Selbsthilfeangebote können insbesondere zu Beginn der Erkrankung entlasten.
- Achten Sie auf Bewegung. Körperliche Aktivität hilft nachweislich bei depressiven Symptomen. Selbst kleine Bewegungseinheiten können die Stimmung und die mentale Gesundheit verbessern.
- Vermeiden Sie große Veränderungen. Ein Umzug, der Verlust einer vertrauten Bezugsperson oder andere tiefgreifende Veränderungen können Ängste und depressive Phasen verschärfen.
- Schaffen Sie Sicherheit. Vermeiden Sie stressige Themen wie Geld, die Demenzerkrankung oder die damit verbundenen Einschränkungen. Auch Lärm oder Orte mit vielen Menschen können überfordern.
- Bieten Sie einfache, sinnvolle Beschäftigung an. Kochen, musizieren oder gärtnern – das, was früher Freude gemacht hat, kann helfen. Wichtig ist: nicht überfordern.
- Gestalten Sie den Alltag so ruhig und angenehm wie möglich. Vertraute Routinen, gutes Essen und kleine Erfolgserlebnisse stärken das Wohlbefinden.

BakiBG/Canva
Depressionen als Risikofaktor für Demenz
Wissenschaftliche Studien zeigen: Menschen, die im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken, haben ein erhöhtes Risiko, im Alter eine Demenz zu entwickeln. Besonders auffällig ist dieser Zusammenhang bei Depressionen, die im mittleren Lebensalter auftreten.
Warum Depressionen das Risiko für eine Demenz steigern, ist noch nicht vollständig geklärt. Fachleute vermuten mehrere Ursachen:
- Menschen mit Depressionen ziehen sich oft sozial zurück, bewegen sich weniger und vernachlässigen ihre Gesundheit.
- Zusätzlich steht ein dauerhaft erhöhter Spiegel des Stresshormons Cortisol im Verdacht, Entzündungsprozesse im Gehirn zu fördern und Nervenzellen zu schädigen.
Die gute Nachricht: Wer seine Depression frühzeitig behandeln lässt – ob mit Medikamenten, Psychotherapie oder einer Kombination – kann das Risiko senken. Das macht deutlich: Eine Depression zu erkennen und zu behandeln, dient nicht nur der aktuellen Lebensqualität, sondern ist auch ein wichtiger Schritt zur Demenzprävention.
Weitere Informationen zum Thema
14 Risikofaktoren für Demenz

rattanakun/Canva
Was erhöht das Demenzrisiko?
Demenz vorbeugen

nomadsoulphotos/Canva
Was kann ich selbst tun?
Umgang mit Demenzerkrankten

Brittak/Canva
Was hilft im Alltag?

Autorin
Dr. Anne Pfitzer-Bilsing
hat sich nach ihrem Studium der Biochemie an der Uni Düsseldorf während ihrer Doktorarbeit auf Amyloide spezialisiert. Seit 2024 leitet sie bei der AFI die Abteilung Wissenschaft.