vertauschte rollen

07.11.2016

nach tagen, an denen es bei uns zuhause drunter und drüber ging, fragt mich meine 9jährige tochter manchmal, ob das leben als mutter anstrengend ist. ich sage dann JA ... ABER es ist gleichzeitig auch das schönste auf der welt!!  kinder großzuziehen, sie zu führen und doch im (hoffentlich) richtigen moment loszulassen, ihnen zu vertrauen, ist herausforderung und geschenk zugleich. was könnte es spannenderes geben, als zu beobachten, wie sich kleine persönchen zu kleinen persönlichkeiten entwickeln?

wenn großeltern an alzheimer erkranken, ist das genau umgekehrt. es macht traurig, weil ihre persönlichkeit, die sie über ein langes leben entwickelt haben, von tag zu tag ein bisschen mehr verschwindet. gestandene menschen entwickeln sich langsam wieder zu babies, um die man sich tag und nacht kümmern muss. die nicht mehr wissen wo sie sind, die man füttern muss und die manchmal sogar wieder windeln brauchen, weil sie nicht mehr merken, wann sie auf toilette müssen. alzheimer-patienten entwickeln sich zurück, genau gegensätzlich zu kindern. weil kinder selbst erst alles gerade gelernt haben oder noch dabei sind, können sie sich ganz gut in das schicksal der alzheimerkranken hineinversetzen. bei kindern wird die festplatte im gehirn langsam voll geladen, bei omas und opas zerstört alzheimer ebendiese und räumt sie langsam leer. ein fehler im system.

das unheimliche daran ist, dass die erkrankten großeltern dabei immer noch genauso aussehen wie immer und im grunde genommen auch zunächst noch körperlich fit sind. äußerlich ändert sich erst einmal nichts und innerlich alles. das ist für kinder oft nicht zu begreifen. und natürlich ist es beängstigend für die kleinen, wenn omas und opas plötzlich totalen quatsch erzählen oder wenn sie sogar bockig werden, so wie sonst nur die kleineren geschwister. erwachsene symbolisieren für kinder grundsätzlich erstmal sicherheit und schutz. wenn alzheimer auftaucht, wird dieses konstrukt zerstört. irgendetwas läuft falsch. das ist für kinder schwer zu begreifen und unangenehm. aber ihr kinder da draußen, ihr braucht euch nicht für eure großeltern schämen. sie können nichts dafür. sie sind krank.

und warum nicht ‚einfach’ aus der not eine tugend machen? kinder übernehmen gerne verantwortung.... mal kurz auf den kleinen bruder aufpassen, alleine zum bäcker gehen...so etwas stärkt das selbstbewußtsein... und so sollte man auch den umgang zwischen kindern und alzheimerkranken handhaben. vertauschte rollen sozusagen. der oma vorlesen,  ihr etwas vorsingen, den opa füttern, ihn in den arm nehmen und trösten, wenn er traurig ist. für oma und opa da sein. für andere da sein. ein wichtiger baustein für die entwicklung zur eigenen persönlichkeit. mehr hinweise, wie ihr euer kind dabei unterstützen könnt, mit einem alzheimer-patienten umzugehen, findet ihr hier.

bleibt stark!

eure


Lesen Sie das bewegende Interview!

Zehn Jahre hat Christa Schneider ihre an Alzheimer erkrankte Mutter Trudi begleitet. In einem bewegenden Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen mit der Krankheit. Ihr Fazit: vorbeugen so gut es geht und spenden für die Alzheimer-Forschung.

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