Verdacht auf Demenz:
Was tun, wenn jemand nicht zum Arzt will?

Sie befürchten, jemand, der Ihnen wichtig ist, könnte an einer Demenz erkrankt sein, doch diese Person will partout nicht zum Arzt?

Damit sind Sie nicht allein. Studien zeigen, dass in Ländern wie Deutschland mehr als die Hälfte aller Demenzerkrankungen nicht diagnostiziert wird. Ein Grund dafür ist, dass erkrankte Menschen den Arztbesuch ablehnen.

Warum das so ist und welche Strategien helfen können, das Thema doch anzusprechen, erfahren Sie hier.

Warum Ablehnung von Arztbesuchen so häufig ist

Bei ersten kognitiven Veränderungen – etwa Vergesslichkeit oder Orientierungsproblemen – ist es sehr unterschiedlich, wie Menschen diese selbst erleben. Manche spüren deutlich, „dass etwas nicht stimmt.“ Andere hingegen nehmen eigene Einschränkungen kaum wahr, selbst wenn sie bereits deutlich im Alltag zu spüren sind.

Diejenigen, die Veränderungen bemerken, versuchen häufig, sie vor anderen zu verbergen. Die Kekse sind nichts geworden? „Das Mehl war schlecht“. Das Auto hat einen Kratzer? „Der andere war schuld.“ Im Inneren lösen die Probleme jedoch oft Traurigkeit, Ängste oder sogar Depressionen aus.

Hinzu kommen viele weitere Gründe, warum Arztbesuche bei kognitiven Veränderungen hinausgezögert oder verweigert werden:

Viele Symptome, die das Leben mit Alzheimer-Demenz sonst stark beeinträchtigen, sind sehr, sehr gut behandelbar.

Prof. Dr. Sascha Marrakchi
Leiter der Gedächtnisssprechstunden der Asklepios Kliniken Barmbek und Altona

„Mir geht’s gut“ – fehlende Krankheitseinsicht kann auch ein Symptom sein

Wenn Menschen auf die Bitte, kognitive Veränderungen ärztlich abklären zu lassen, mit Sätzen reagieren wie: „Ich habe doch nichts, mir geht es gut“, wirkt das auf Angehörige oft stur oder uneinsichtig. Es kann jedoch auch ein Symptom einer Demenzerkrankung selbst sein: die fehlende Krankheitseinsicht (Anosognosie).

Ursache dafür sind Veränderungen in Bereichen des Gehirns, die für Selbstwahrnehmung und Urteilsvermögen zuständig sind. Das bedeutet: Die betroffene Person kann ihre Einschränkungen nicht erkennen, selbst wenn sie für Außenstehende offensichtlich sind.

Insbesondere bei Menschen mit Frontotemporaler Demenz erlebt man dies sehr häufig, aber auch bei der Alzheimer-Krankheit.

Diese fehlende Wahrnehmung erklärt, warum viele Menschen mit Demenz ärztliche Untersuchungen oder Hilfe ablehnen. Sie fühlen sich gesund und empfinden das Verhalten der Angehörigen womöglich als übergriffig. Dies kann für Familien zur großen Herausforderung werden.

Was hilft, wenn jemand nicht zum Arzt gehen möchte?

Die Gründe zu verstehen, warum jemand mit kognitiven Einschränkungen keine Diagnose möchte, ist ein wichtiger erster Schritt, der das Gespräch für alle erleichtern kann. Der zweite Schritt, jemanden vom Arztbesuch zu überzeugen, ist oft deutlich schwieriger. Er erfordert Geschicklichkeit, Mut – und meist auch etwas Glück.

Hier einige Strategien, die anderen Familien in ähnlichen Situationen geholfen haben:

  • Vermeiden Sie grundsätzlich Begriffe wie Demenz, Alzheimer oder auch Vergesslichkeit. Versuchen Sie, die „allgemeine Gesundheit“ oder Fitness in den Vordergrund zu stellen, die jedem Menschen wichtig ist.
  • Stellen Sie den Arztbesuch so dar, dass er einem bei einem für die Person wichtigen Ziel helfen kann: „Wenn du ... weiter alleine wohnen / die große Reise planen / selber Auto fahren möchtest ... warum dann nicht ärztlich abklären, ob du wirklich fit genug bist?
  • Steht schon das Thema „Demenz“ im Raum, klären Sie auf, dass Vergesslichkeit oder andere Einschränkungen auch andere, behandelbare Ursachen haben können. Stichwort: Reversible Demenzen.
  • Betonen Sie, dass selbst Demenzerkrankungen heute behandelbar sind und dass die Diagnose eine Chance sein kann, etwas gegen die Krankheit zu tun, Vorkehrungen zu treffen und sich die Zeit noch angenehm zu gestalten.

Mehr erfahren: Welche Therapien bei Alzheimer helfen können

Wenn kreativere Ideen gefragt sind

Kreative Lösungen können dann greifen, wenn jemand sich und andere gefährdet, weil er beispielsweise unkontrolliert Geld ausgibt, unsicher Auto fährt, zu wenig isst oder Medikamente falsch einnimmt. All dies können Hinweise sein, dass professionelle Hilfe nötig ist und dass auch kleine Lügen und Tricks erlaubt sind:

  • Erfinden Sie einen Routinetermin „Ich weiß, du bist kerngesund, aber ich habe gehört, jeder über 60 sollte einmal im Jahr den Arzt sehen um Blutzucker und Herz testen zu lassen.“ Bitten Sie die Person, Sie zu diesem Arzttermin zu begleiten und die Untersuchung gleich mitzumachen. Handelt es sich um ein Elternteil, sollte der jeweilige Partner oder die Partnerin mitkommen.
  • Bitten Sie die Hausärztin oder den Hausarzt bei der nächsten Untersuchung auf kognitive Veränderungen zu achten. Zwar dürfen Sie ohne Vollmacht keine Informationen erhalten, Sie dürfen aber Bedenken äußern.
  • Beziehen Sie eine dritte Person ein, zum Beispiel einen guten Freund der erkrankten Person. Oft folgen Menschen lieber dem Rat von Außenstehenden als dem von Verwandten.
  • Erfinden Sie einen Arzttermin für etwas, das der Person wichtig ist, zum Beispiel eine ärztliche Untersuchung „für die Versicherung“ oder „für Rezept XY“. Schildern Sie in der jeweiligen Praxis, warum Sie dies tun.

Wenn Ihr Herz sagt, es ist Zeit, Hilfe zu holen, werden Sie kreativ. Organisieren Sie einen Hausbesuch, eine Videosprechstunde oder verbiegen Sie die Wahrheit, um die Person in eine Arztpraxis zu bekommen. So kann allen Beteiligten in dieser Situation geholfen werden.

Wie kann man einen Menschen mit kognitiven Einschränkungen unterstützen?

Wenn es trotz aller Bemühungen nicht gelingt, die Person zu einem Arztbesuch zu bewegen, hilft es nicht, weiter zu drängen. Schalten Sie lieber einen Gang zurück, damit kein Machtkampf entsteht. Menschen, die tatsächlich eine Demenz entwickeln, werden oft im Laufe der Zeit zugänglicher – oder es steht die nächste reguläre Routineuntersuchung an.

Wichtig ist zu wissen, dass Widerstand meist aus Angst, Unsicherheit oder dem Wunsch entsteht, das eigene Leben selbst zu bestimmen. Es ist zutiefst menschlich, Informationen zu vermeiden, die möglicherweise das ganze Leben auf den Kopf stellen. Angehörigen helfen hier nur Verständnis und Geduld, um das Vertrauen nicht zu gefährden.

Wenn die kognitiven Probleme anhalten oder zunehmen, können Familien auch ohne Diagnose schon im Alltag unterstützen – etwa durch klare Routinen, angepasste Kommunikation und Wissen über den Umgang mit Demenz.

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Quellen und Hintergrundinformationen

Alzheimer’s Disease International (ADI): World Alzheimer Report 2021 – Journey through the diagnosis of dementia London 2021.

The Association for Frontotemporal Degeneration (AFTD). Tips & Advice: When “I’m Fine” Isn’t Fine – Understanding Anosognosia in FTD. October 24, 2025. (Abrufdatum: 29.10.2025)

Max‑Planck‑Institut für Bildungsforschung. Ein Drittel der Menschen meidet Informationen zur eigenen Gesundheit – Vertrauen ins Gesundheitssystem spielt eine zentrale Rolle. 26. August 2025. (Abrufdatum: 29.10.2025)

Lesen Sie auch unseren Ratgeber

Der kostenfreie Ratgeber Für Menschen mit Demenz da sein bietet pflegenden Angehörigen Orientierung, praktische Anregungen für den Alltag und Hilfe zur Selbstfürsorge. Er unterstützt dabei, Herausforderungen zu meistern und gut für sich selbst zu sorgen.

kostenfrei
100 Seiten, 2025

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